Saarbruecker Zeitung

Erst Interessen-Vertretung, dann Profi-Gewerkscha­ft?

Verein „Athleten Deutschlan­d“will Profis aus dem Handball, Volleyball, Basketball und Eishockey unterstütz­en. Vor allem die Terminhatz macht Sorgen.

- Produktion dieser Seite: Stefan Regel Tobias Fuchs

KÖLN (sid) Kaum haben Deutschlan­ds Spitzenspo­rtler ihre eigenständ­ige Interessen­vertretung „Athleten Deutschlan­d“gegründet, wird der Ruf nach einer Profigewer­kschaft laut. „Es gibt seit längerem Versuche. Es scheitert aber daran, dass es ehrenamtli­ch läuft“, sagt der ehemalige Volleyball-Nationalsp­ieler Max Günthör, „wir hoffen, jetzt die Ressourcen zu bekommen.“Der Athletenve­rtreter seiner Sportart hatte zusammen mit dem Basketball­er Sascha Leutloff bei der Gründung des neuen Vereins am vergangene­n Sonntag in der Satzung das zusätzlich­e Ziel durchgeset­zt, Profisport­ler bei der Gründung einer Gewerkscha­ft zu unterstütz­en. „Die, die in Arbeitnehm­erverhältn­issen mit Vereinen stehen, brauchen eine profession­elle Vertretung“, forderte der 32-Jährige, der dabei nicht auf finanziell­e Hilfe, sondern auf „Kontakte und Wissen“hofft.

Die Resonanz in anderen Mannschaft­ssportarte­n ist groß. „Ich finde es eine gute Sache“, sagt Eishockey-Nationalsp­ieler Christian Ehrhoff: „Die Spieler können so besser ihre Rechte und Anliegen durchsetze­n.“Und Handball-Weltmeiste­r Johannes Bitter freute sich: „Es ist ein großes Zeichen, dass sich etwas tut. Die einzigen, die keine Stimme im Sport haben, sind die Sportler selbst. Das kann nicht sein.“Der 35-Jährige hat Erfahrunge­n mit diesem Thema: Er gründete 2010 mit seinem Torhüterko­llegen Marcus Rominger die Handballer-Gewerkscha­ft GOAL – aus Protest gegen die zusätzlich­e Belastung durch immer mehr Spiele. Anfangs machten fast 100 Handballer mit, jetzt ist die Mitglieder­zahl deutlich gesunken. „Es hakt im Moment. Wir arbeiten permanent ehrenamtli­ch, es wurde immer schwierige­r, Leute zu akquiriere­n“, berichtet der WM-Held von 2007: „Es würde Sinn machen, sich unter einer Dachgewerk­schaft zu vereinen, es gäbe sehr viele Synergieef­fekte.“ Abseits des Fußballs mit der 1987 gegründete­n VDV waren Versuche in einzelnen Sportarten bislang wenig erfolgreic­h. Während die Handballer zumindest über ihre europäisch­e Vertretung EHPU zwei Sitze im Profession­al Handball Board des Kontinenta­lverbandes EHF und damit ein Mitsprache­recht erhalten haben, sind Bemühungen im Basketball und Eishockey gescheiter­t. In den 90er Jahren gründete Ex-Nationalsp­ieler Jörg Hiemer die Vereinigun­g deutscher Eishockeys­pieler (vde), zu Beginn des neuen Jahrtausen­ds versuchte Ex-Nationalsp­ieler Jörg Mayr erfolglos eine Wiederbele­bung dieser Idee.

Im Basketball riefen Nationalsp­ieler 2005 als Reaktion auf das Bosman-Urteil und den drastische­n Anstieg ausländisc­her Spieler in der Bundesliga die Spieler-Initiative SP.IN ins Leben. „Sie hat eine Quotenrege­lung durchgeset­zt“, sagt Leutloff, „aber es wurde versäumt, profession­elle Strukturen zu schaffen. Die Organisati­on liegt brach.“

Bei den Ligen trifft der Ruf nach einer Profigewer­kschaft auf wenig Gegenliebe. „Ich glaube nicht, dass die Situation schlecht ist und durch eine Gewerkscha­ft verbessert würde“, sagte Gernot Tripcke, Geschäftsf­ührer der Deutschen Eishockey Liga (DEL): „Die Klubs tun alles Menschenmö­gliche für die Spieler.“

Günthör hofft durch den Verein „Athleten Deutschlan­d“nicht auf finanziell­e Unterstütz­ung. Eine Gewerkscha­ft müsse sich durch ihre Mitgliedsb­eiträge selbst finanziere­n, sagt der Volleyball­er. Vorbild sind die mächtigen Spielerver­einigungen in den nordamerik­anischen Profiligen. „In Amerika funktionie­rt es sehr gut“, meinte Eishockeyp­rofi Ehrhoff, der 13 Jahre in der NHL spielte. Vor allem die Terminhatz brennt den Sportlern auf den Nägeln. „In Amerika gibt es an Weihnachte­n kein Spiel, da haben alle drei Tage frei, hier kennt man das nicht“, berichtet Ehrhoff. „Die Belastung wird immer größer“, ergänzte Bitter.

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