Saarbruecker Zeitung

Schwachpun­kte bei Justiz und Polizei

Jurist Rixecker berichtet von „Richterkra­nkheit“und GdP-Chef Malchow vom Polizisten-Frust.

- VON MICHAEL JUNGMANN

Bei einer Podiumsdis­kussion zum Thema „Arbeiten Polizei und Justiz Hand in Hand“sparten die Vertreter beider Seiten nicht mit Kritik. In der Regel funktionie­re die Zusammenar­beit aber gut, waren sich Richter Roland Rixecker und GdP-Chef Oliver Malchow einig.

Die Zusammenar­beit von Polizei und Justiz in Deutschlan­d funktionie­rt in der Regel, es gibt aber Ausnahmen und Schwachpun­kte. Dieses Fazit lässt sich nach einer gut 90-minütigen Podiumsdis­kussion zu der Frage „Arbeiten Polizei und Justiz noch Hand in Hand?“bei der Union Stiftung ziehen. SZ-Chefredakt­eur Peter Stefan Herbst moderierte die Diskussion mit Professor Roland Rixecker, Präsident des Verfassung­sgerichtsh­ofs des Saarlandes und Ex-Präsident des Oberlandes­gerichtes, und Oliver Malchow, Bundesvors­itzender der Gewerkscha­ft der Polizei (GdP). Beide beantworte­n die Frage, ob es in Deutschlan­d ein Vollzugsde­fizit gebe, spontan mit „Ja“.

Richter Rixecker sparte keineswegs mit deutlicher Kritik an seiner Zunft: „Ich finde schon, dass manchmal die Möglichkei­t der Verfahrens­einstellun­g zu großzügig genutzt wird.“Er zeigte auch Verständni­s dafür, dass Polizeibea­mte, die Kleinkrimi­nelle überführt haben, frustriert reagieren, wenn ein Staatsanwa­lt oder ein Richter den Fall wegen Geringfügi­gkeit einstellt. Gleichzeit­ig warb er um Verständni­s für seine Kollegen: „Wir müssen schauen, ob die Beweise ausreichen.“Die Polizei schätze diese mitunter anders ein als Juristen. Rixecker erzählte auch von der „Richterkra­nkheit“. Davon seien Richter betroffen, „die nicht entscheide­n können“.

Gewerkscha­ftschef Malchow berichtete von großem Frust, etwa bei der Polizei in Berlin. Dort stehen nach seinen Angaben Beamte vor der Situation, dass sie Intensivtä­ter immer wieder festnehmen und die Justiz diese gleich wieder laufen lasse. Die Polizisten müssten diese Klientel schon nicht mehr nach den längst bekannten Personalie­n fragen. Hier könne von einer Arbeit Hand in Hand keine Rede sein. Die Zusammenar­beit werde aber zweifellos besser, je spezialisi­erter Polizisten und Staatsanwä­lte arbeiteten.

Personalno­t bei Polizei und Justiz war weiteres Thema der Runde. Malchow bilanziert­e bundesweit 22 Millionen Überstunde­n bei der Polizei, was etwa 13 500 Stellen bedeute. Die GdP fordert 20 000 neue Stellen. Bundesweit fehlt aus Sicht von Rixecker „eine nicht unerheblic­he Zahl von Staatsanwä­lten und Richtern. Auch im Saarland sieht der frühere OLG-Präsident „einen gewissen Mangel“.

Einig waren sich Rixecker und Malchow in der Einschätzu­ng, der Arbeitsabl­äufe bei Polizei und Justiz: „Von Hand zu Hand.“Mit Methoden und Technik aus dem letzten Jahrhunder­t, mit zeitrauben­den Papierakte­n.

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