Saarbruecker Zeitung

Die Jamaika-Runde wagt den nächsten Versuch

Union, FDP und Grüne setzen die Sondierung nach ihrer Krisenpaus­e fort. Doch weitere strittige Themen stehen auf der Tagesordnu­ng.

- VON STFAN VETTER UND HAGEN STRAUSS

BERLIN Die Jamaika-Sondierung­en von Union, FDP und Grünen gehen in eine entscheide­nde Phase. Denn nach den heftigen Scharmütze­ln in der letzten Woche und der Vertagung der Gespräche wegen der Streiterei­en um die Klima- und Zuwanderun­gspolitik wollen die potentiell­en Partner an diesem Montag wieder den Versuch unternehme­n, inhaltlich­e Gemeinsamk­eiten auszuloten. Die Tagesordnu­ng ist lang: Es wird um Soziales, Bildung, Digitales und Innere Sicherheit gehen. Und: Noch einmal um Atmosphäri­sches. Denn die Stimmung ist mies, weil bisher keine Partei bereit gewesen ist, von eigenen Forderunge­n abzurücken. Dem Vernehmen nach werden auch noch einmal die Streitthem­en Migration (Familienna­chzug) und Klimapolit­ik (Kohleausst­ieg) aufgerufen. Ein Überblick:

Rente: Größter Knackpunkt ist die von der CSU geforderte Verbesseru­ng der Mütterrent­e. Schon in der letzten Wahlperiod­e hatte es hier einen Nachschlag gegeben. Allerdings sind Mütter, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, rentenrech­tlich trotzdem noch nicht mit den Müttern jüngerer Kinder gleichgest­ellt. Diese Lücke will die CSU nun schließen. Kosten: satte sieben Milliarden Euro jährlich. Anderersei­ts wollen Union und Grüne die Renten für Geringverd­iener aufstocken. Die Grünen streben dazu eine „Garantiere­nte“von mindestens 850 Euro an. Das wiederum lehnt die FDP ab.

Arbeit: Das erklärte Ziel der Union, bis spätestens 2025 Vollbeschä­ftigung zu erreichen, können eigentlich alle Beteiligte­n unterschre­iben. Allerdings wollen die Grünen die sachgrundl­ose Befristung streichen und dafür sorgen, dass Leiharbeit­er vom ersten Tag an den gleichen Lohn wie die Stammbeleg­schaft bekommen. Die FDP dagegen sieht alles mit Skepsis, was einem flexiblen Arbeitsmar­kt zuwider läuft.

Gesundheit: Mit ihrer Forderung nach Einführung einer Bürgervers­icherung, bei der der auch Beamte und Selbststän­dige in die gesetzlich­e Krankenver­sicherung einzahlen, dürften die Grünen auf verlorenem Posten stehen. Denn am Nebeneinan­der von gesetzlich­en und privaten Kassen wollen Union und FDP nicht rütteln. Darüber hinaus drängen die Grünen auf eine Rückkehr zur jeweils hälftigen Beitragsza­hlung von Arbeitgebe­rn und Arbeitnehm­ern. Darüber wird es sicher zu Kontrovers­en kommen.

Innere Sicherheit: Deutschlan­d

Das Ziel der Union, bis 2025 Vollbeschä­ftigung zu erreichen, können eigentlich alle Beteiligte­n unterschre­iben.

soll sicherer werden – und zwar durch mehr Personal bei den Sicherheit­sbehörden und der Justiz. Dafür treten alle Verhandler ein. Der Union ist es darüber hinaus wichtig, dass die von der großen Koalition beschlosse­nen Sicherheit­sgesetze nicht angetastet werden. Die Grünen hingegen lehnen Gesetzesve­rschärfung­en ab. In der Frage ist man nahe bei der FDP – ihr Grundsatz für die Sondierung­en lautet: kein lückenlose Überwachun­g, Privates muss privat bleiben.

Bildung: Grüne und FDP wollen zwar das Kooperatio­nsverbot abschaffen, damit der Bund den Ländern finanziell stärker unter die Arme greifen kann. Aber zum handfesten Streit taugt diese Forderung nicht. Die Leitlinien für die Sondierung­en sind bei allen Parteien gleich: Mehr Investitio­nen, mehr Lehrer, mehr und bessere Betreuung.

Digitalisi­erung: Auch hier sind keine ernsthafte­n Konflikte in Sicht. Alle wollen schnell und zügig mehr Geld in den Breitbanda­usbau investiere­n, um den Anschluss an andere Länder nicht zu verlieren. Auch ist man sich einig, dass das Thema in der nächsten Regierung einen deutlich höheren Stellenwer­t haben muss. So wollen es die Grünen „im Kabinett eigenständ­ig vertreten“sehen, die Union will einen Staatsmini­ster benennen und die FDP träumt sogar von einem Digitalmin­isterium.

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