Saarbruecker Zeitung

Haftbefehl gegen Syrer wegen Anschlagsp­länen

Die Polizei nimmt einen Syrer in Schwerin unter dringendem Terrorverd­acht fest.

- VON CHRISTIANE JACKE Produktion dieser Seite: Iris Neu-Michalik Fatima Abbas

Wegen Vorbereitu­ngen für einen islamistis­chen Anschlag in Deutschlan­d mit vielen Toten sitzt ein Syrer aus Schwerin in Untersuchu­ngshaft. Ein Ermittlung­srichter hat gegen den 19-Jährigen Haftbefehl erlassen.

(dpa) Vor gut zwei Jahren kam Yamen A. in Deutschlan­d an. Im Herbst 2015, als jeden Tag Tausende Schutzsuch­ende die Bundesrepu­blik erreichten. Der Syrer kam als Minderjähr­iger ins Land, inzwischen ist er 19 Jahre alt. In einem schmucklos­en Plattenbau in Schwerin soll er einen schweren Bombenansc­hlag geplant haben. Sein Fall reiht sich ein in eine traurige Serie von Anschlägen und Anschlagsv­ersuchen in Deutschlan­d und weist Parallelen zu anderen Fällen auf, in denen sich junge Männer dem Terror verschrieb­en. In der Dimension des geplanten Anschlags steche der Fall aber heraus, heißt es. Wie groß war die Gefahr?

Spezialein­heiten nahm Yamen A. am Dienstag in Schwerin fest. Dort lebte er in einem Hochhaus, inmitten von grauen Häuserfron­ten. Polizisten durchsucht­en die Wohnung des jungen Mannes und fanden jede Menge Chemikalie­n und andere Bestandtei­le zum Bau eines Sprengsatz­es. Gestern erging Haftbefehl gegen ihn. Er sitzt nun in Untersuchu­ngshaft.

Die Ermittlung­en laufen. Die Sicherheit­sbehörden durchleuch­ten das Leben und das Umfeld des Syrers. Ein paar Dinge haben sie aber schon verlauten lassen über den Verdächtig­en: Demnach kam er Anfang September 2015 in Mecklenbur­g-Vorpommern als Asylsuchen­der an. Ein paar Monate später, am 1. Februar 2016, stellte er förmlich seinen Asylantrag beim Bundesamt für Migration und Flüchtling­e. Kurz darauf, Mitte April 2016 bekam er seinen Asylbesche­id: ein Ja zum Schutzbege­hren und eine befristete Aufenthalt­serlaubnis, die noch bis April 2019 läuft.

Die Ermittler gehen bislang davon aus, dass Yamen A. nicht mit einem Anschlagsp­lan oder Anschlagsa­uftrag ins Land kam, sondern dass er sich erst hier radikalisi­erte – verstärkt im vergangene­n halben Jahr, wie es in Sicherheit­skreisen heißt. Spätestens im Juli 2017 soll der Syrer den Entschluss gefasst haben, einen Bombenansc­hlag zu begehen.

Ein konkretes Ziel hatte er demnach noch nicht im Auge. Aber im Sommer soll er begonnen haben, in sozialen Netzwerken nach Anleitunge­n zum Bombenbau zu suchen, sich Bauteile und Chemikalie­n zu besorgen und im Internet die nötigen Substanzen zu bestellen.Yamen A. hatte im Netz laut Bundesanwa­ltschaft Kontakt zu Leuten aus dem dschihadis­tischen Spektrum, auch zu jemandem, der sich selbst „Soldat des Kalifats“nannte, also als Mitglied der Terrormili­z IS ausgab. Wie intensiv die Verbindung­en waren und ob Yamen A. echte Komplizen hatte, wird noch untersucht. Bisher vermuten die Ermittler, dass er ein Einzeltäte­r war, der sich zwar von IS-Anhängern im Netz beim Bombenbau anleiten ließ und dort Know-how suchte, der aber nicht gesteuert wurde oder einem konkreten Auftrag folgte. Polizei und Geheimdien­ste kamen ihm über seine Aktivitäte­n im Internet auf die Spur und observiert­en ihn über Wochen, bevor sie zugriffen.

Ein junger Mann also, der aus einem Kriegsgebi­et floh, Schutz in Deutschlan­d suchte und hier Terrorplän­e schmiedete – solche Fälle hat Deutschlan­d in den vergangene­n Monaten mehrfach erlebt. Die einen wurden vor ihrer Tat gestoppt, die anderen zogen ihre düsteren Pläne durch. Es gab in den vergangene­n anderthalb Jahren eine ganze Reihe von Attentaten und zahlreiche Festnahmen von Terrorverd­ächtigen mit konkreten Anschlagsv­orhaben.

Im Fall von Yamen A. stellte sich Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU) am Tag der Festnahme eigens vor die Kameras, um zu verkünden, Deutschlan­d sei einem „schweren Terroransc­hlag“entgangen. In Sicherheit­skreisen heißt es, Yamen A. habe ein Attentat von „verheerend­em“Ausmaß begehen wollen. Was genau passiert wäre – wann und ob überhaupt – ist in solchen Fällen schwer zu sagen. Doch Personen aus dem Sicherheit­sapparat nutzen Meldungen über vereitelte Anschläge regelmäßig, um den Ruf nach schärferen Sicherheit­svorgaben zu begründen.

Und die Sicherheit­slage in Deutschlan­d? Daran ändere sich durch den jüngsten Fall nichts, heißt es aus dem Innenresso­rt. Die Bedrohung durch den islamistis­chen Terror sei seit langem groß.

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FOTO:WÜSTNECK/DPA Polizisten nehmen im Plattenbau­viertel bei Schwerin einen Islamisten aus Syrien fest. Es wurden zeitgleich drei Wohnungen durchsucht.

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