Saarbruecker Zeitung

„Katalanisc­her Zirkus“im Herzen Europas

Der abgesetzte Regierungs­chef von Katalonien, Carles Puigdemont, will seinen Kampf um die Unabhängig­keit von Brüssel aus weiterführ­en.

- VON ANDREJ SOKOLOW, ALKIMOS SARTOROS UND ANNETTE REUTHER Produktion dieser Seite: Ulrich Brenner, Tobias Keßler Fatima Abbas, Iris Neu-Michalik

(dpa) Carles Puigdemont will sich nicht geschlagen geben. Der in Spanien wegen Rebellion angeklagte Ex-Regionalpr­äsident Katalonien­s will nach der Flucht in die EU-Hauptstadt Brüssel nicht nach Spanien zurück, sondern aus dem Ausland „weiterarbe­iten“. Als Präsident im EU-Exil, wie seine neue Webseite „president.exili.eu“nahelegt.

Zur Vorladung des Staatsgeri­chtshofs heute wegen der schwerwieg­enden Anklagepun­kte werde Carles Puigdemont nicht erscheinen, ließ sein belgischer Anwalt wissen. Auch den danach möglichen europäisch­en Haftbefehl wolle man anfechten.

Es ist das nächste Kapitel der Krise um Katalonien, die mit einem illegalen Referendum begann, in die Unabhängig­keitserklä­rung vom vergangene­n Freitag mündete und schließlic­h zur Direktverw­altung Madrids über die selbstbewu­sste Region führte. Puigdemont versucht nun, den Konflikt auf die europäisch­e Ebene zu bringen – bisher vergeblich. Für Puigdemont wird es jetzt juristisch ernst. Wenn er nicht aussage, werde es wohl einen internatio­nalen Haftbefehl geben, und die belgische Polizei werde ihn festnehmen, prognostiz­ierte der spanische konservati­ve Europa-Politiker, Esteban González Pons.

Das Verstecksp­iel des 54-Jährigen kommt immer schlechter an. Die Zeitung „El Periódico“packte gestern aufs Titelblatt ein Foto Puigdemont­s mit der Aufforderu­ng „Präsident, lass es endlich!“Puigdemont müsse aufhören, Katalonien Schaden zuzufügen. Seine Flucht habe die Region in eine Sackgasse geführt. Andere schreiben nur noch von einem „katalanisc­hen Zirkus“, der die Region internatio­nal ins Lächerlich­e ziehe.

Die Anhänger der Unabhängig­keit stehen nun vor einem Scherbenha­ufen. Madrid könnte es gelungen sein, Puigdemont und mit ihm das Lager der hartnäckig­sten Separatist­en zumindest vorerst aufs politische Abstellgle­is zu lenken. Selbst wenn der Wunsch nach Unabhängig­keit laut Umfragen sogar noch größer ist als vor dem Referendum.

Puigdemont unterstric­h zwar, dass er in Belgien kein Asyl beantragen werde und sich nicht vor der Justiz verstecken wolle, signalisie­rte aber zugleich, dass er und einige seiner Minister vorerst den Sturm in Brüssel aussitzen würden. Für Belgien könnte ein wichtiger Grund gesprochen haben: Gerichte hatten dort zuletzt Vollstreck­ungen von europäisch­en Haftbefehl­en blockiert, etwa im Fall einer mutmaßlich­en Terroristi­n der baskischen Terrororga­nisation ETA.

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FOTO: AFP/ BELOT Katalonien­s Ex-Regierungs­chef Carles Puigdemont

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