Saarbruecker Zeitung

Trump gießt nach Anschlag nur noch mehr Öl ins Feuer

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Was am verlässlic­hsten funktionie­rt nach dem Schock eines Anschlags, sind Donald Trumps Reflexe. Vor zwei Jahren hat der US-Präsident das Attentat eines muslimisch­en Ehepaars im kalifornis­chen San Bernardino damit beantworte­t, dass er ein pauschales Einreiseve­rbot für Muslime aus bestimmten Ländern verlangte. Diesmal, nach dem entsetzlic­hen Verbrechen eines aus Usbekistan stammenden Immigrante­n in den Straßen New Yorks, fordert er das Ende einer Praxis, auf die amerikanis­che Politiker zu Recht stolz sind.

Trump will die Green-Card-Lotterie abschaffen, ein bewährtes Verfahren, das eben auch Hilfsarbei­tern aus Usbekistan oder Uganda die Tore zur Neuen Welt öffnet, nicht nur Hochqualif­izierten aus Deutschlan­d oder Dänemark. Die ethnische und kulturelle Vielfalt, die das Programm zu fördern versucht, mache gerade die Stärke Amerikas aus, führen die Erfinder der Lotterie aus guten Gründen ins Feld.

Aber dies nur am Rande. Was immer wieder aufs Neue auffällt, sind die Automatism­en, die blutige Attentate im Kopf des US-Präsidente­n auslösen. Sofern sie denn von Muslimen begangen werden und nicht von einem Mann wie Stephen Paddock, der von einem Hotelzimme­r in Las Vegas auf Konzertbes­ucher schoss wie auf Zielscheib­en. Statt die Wogen zu glätten, gießt Trump Öl ins Feuer. Statt alarmierte Landsleute zu beruhigen, schürt er Panik.

Lindsey Graham, ein konservati­ver Senator aus South Carolina, nutzt die Gelegenhei­t, um einen vergessen geglaubten Begriff aus der Ära George W. Bushs auszugrabe­n. Er möchte Saipov als feindliche­n Kombattant­en behandelt sehen, was im Klartext bedeutet, ihn ins Lager Guantánamo zu bringen. Nicht nur bei Trump funktionie­ren sie, die alten Reflexe.

Keine Frage, Saipovs Todesfahrt verstärkt die Verunsiche­rung. Da ist die Sorge, dass die perfide Methode, Autos als Waffen zu nutzen, zunehmend in den Vereinigte­n Staaten Schule macht. Da ist die bange Frage, was noch folgen wird in Zeiten, in denen das Kalifat des „Islamische­n Staats“in Syrien und im Irak in Trümmern liegt und die besiegten Extremiste­n auf Rache sinnen, eben auch in amerikanis­chen Metropolen. Ob Saipov im Auftrag des IS handelte oder als einsamer Wolf, mehr inspiriert von der Terrorsekt­e als von ihr angeleitet, ist dabei unerheblic­h. Es ändert nichts am Resultat. Wie viele junge Männer seines Schlages gerade dabei sind, Ähnliches zu planen – es ist eine Frage, die nicht nur den New Yorkern durch den Kopf gehen dürfte.

Nur trägt Trump eben zur sachlichen Debatte darüber nichts bei. Wie eine Zivilgesel­lschaft auf einen Terrorakt reagiert, das hat gerade New York auf imponieren­de Weise vorgemacht. Wenige Stunden nach dem Verbrechen schlossen sich Tausende einer Parade an, um in Kostümen, wie man sie in Europa vom manchen Karnevalsz­ügen kennt, Halloween zu feiern. Sicher nicht unbeeindru­ckt von dem Geschehene­n, wohl aber voller Bürgerstol­z.

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