Saarbruecker Zeitung

Wie man in Burbach heimisch werden kann

Der Kulturvere­in Burbach und die Landeshaup­tstadt haben in einem Projekt die Geschichte der Einwandere­r erkundet.

- VON ALEXANDER STALLMANN

Als sich Macrina und Domenico Calippo Mitte der 60er Jahre nach einer Wohnung in Burbach erkundigte­n, sagte der Vermieter: „Wir wollen keine Italiener. Die kriegen immer so viele Kinder.“Die Calippos gehörten zu den ersten Einwandere­rn in dem Saarbrücke­r Stadtteil. Heute können die beiden über die Ablehnung von damals lachen. Sie sind in Burbach heimisch geworden.

Und Zuwanderer sind hier längst nichts Außergewöh­nliches mehr. Jeder Vierte in dem Stadtteil hat einen ausländisc­hen Pass. Menschen aus über 100 Ländern leben in Burbach. Läden mit bulgarisch­en, afghanisch­en oder türkischen Spezialitä­ten prägen das Bild. Die Spuren der Migration sind allgegenwä­rtig. Um diese Spuren und die Geschichte der Migration zu erkunden, haben der Kulturvere­in Burbach und das Zuwanderun­gs- und Integratio­nsbüro (ZIB) der Landeshaup­tstadt Saarbrücke­n das Projekt „Spurensuch­e“ins Leben gerufen. Dazu haben sie nun auch eine 86-seitige Broschüre mit dem Titel „Spuren der Einwanderu­ng“veröffentl­icht. Darin geht es neben der allgemeine­n Geschichte der Italiener, Türken und Aussiedler in Burbach auch um spannende einzelne Biographie­n. Etwa die von Macrina Calippo.

Sie ist als junge Frau aus einem kleinen Ort in Kalabrien nach Burbach gezogen. Mittlerwei­le lebt die 80-Jährige bereits seit über 50 Jahren in Saarbrücke­n. Ihr Ehemann Domenico kam schon einige Jahre zuvor nach Burbach. Er habe ihr in zwei Jahren 160 Liebesbrie­fe nach Kalabrien geschickt, sagt Macrina Calippo. Sie habe sie allesamt aufbewahrt.

Das Ehepaar Calippo fühlt sich wohl in Burbach. Mit Vermietern müssen sie sich nicht mehr herumschla­gen. Im Jahr 1977 kauften sie sich ein Haus ganz in der Nähe des ehemaligen Firmengelä­ndes der Drahtseil-Fabrik Heckel, wo Domenico Calippo arbeitete. „Es war allerdings auch nicht immer alles leicht“, sagt Macrina Calippo. Sie konnte bei ihrer Ankunft kein Wort Deutsch, kannte niemanden und litt unter dem Wetter. Außerdem machte ihr der viele Rauch der riesigen Industriea­nlagen zu schaffen. „Heute ist es nicht mehr so, aber als ich nach Saarbrücke­n gekommen bin, war alles fürchterli­ch grau“, sagt die 80-Jährige.

Das Projekt „Spurensuch­e“begann im Sommer 2016. Neben der Broschüre gab es auch mehrere Veranstalt­ungen. Nun sei das Projekt vorerst abgeschlos­sen, teilt der gemeinnütz­ige Kulturvere­in mit. Das Ziel sei gewesen, dass die Bewohner ein Interesse an der Einwanderu­ngsgeschic­hte entwickeln und selbst am Projekt mitarbeite­n. „Über die Migration in Saarbrücke­n ist schon einiges geschriebe­n worden“, sagt Dagmar Trenz. „Aber bisher gab es noch keine Arbeit, die ganz gezielt ein einzelnes Stadtviert­el betrachtet.“Trenz hat für die Broschüre des Kulturvere­ins ein Jahr lang in Archiven gewühlt, alte Dokumente erforscht und mit Einwandere­rn gesprochen.

Dabei stieß sie auch auf die Geschichte von Jim Baggiocy, der ihr vom Zuwanderun­gs- und Integratio­nsbüro empfohlen wurde. Er verließ vor genau 20 Jahren seine Heimat in Ghana und flog nach Deutschlan­d. Der damals 18-Jährige hatte als Fußballer einen Vertrag beim FC Homburg unterschri­eben. Der Verein spielte zu dieser Zeit in der dritten Liga.

Nach der Fußball-Karriere blieb Baggiocy im Saarland. Heute ist er als Unternehme­r in Burbach tätig. Und der Standort ist für sein Unternehme­n gerade deshalb so geeignet, weil hier so viele Menschen mit ausländisc­hen Wurzeln leben. Der 38-Jährige vermittelt Flug- und Busreisen, hauptsächl­ich für Einwandere­r, die in ihre Heimat reisen. Außerdem hilft Baggiocy bei Übersetzun­gen von Behörden-Papieren.

„Burbach ist besser als sein Ruf“, sagt Baggiocy. In den vergangene­n zehn Jahren habe sich viel verändert, meint der gebürtige Ghanaer.

Früher habe er sich manchmal nicht sicher gefühlt, sagt Baggiocy. Diese Zeiten seien nun aber vorbei. Die Menschen aus den vielen verschiede­nen Nationalit­äten lebten hier gut zusammen.

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FOTO: RICH SERRA Macrina Calippo folgte ihrem Verehrer Domenico. Der hatte in 160 Liebesbrie­fen um sie geworben.
 ?? FOTO: RICH SERRA ?? Vom Fußball-Profi zum Unternehme­r: Jim Baggiocy aus Ghana ist in Burbach heimisch geworden.
FOTO: RICH SERRA Vom Fußball-Profi zum Unternehme­r: Jim Baggiocy aus Ghana ist in Burbach heimisch geworden.

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