Saarbruecker Zeitung

Die stille Lydia und der Hammerkopf

Die Halde Lydia ist eine der markantest­en im Saarland. Vor allem ihr Gipfelplat­eau ist was Besonderes. Wie ein schwarzer Strand liegt es in der Landschaft und begeistert seine Besucher.

- Produktion dieser Seite: Michael Kipp Robby Lorenz

zur Schließung der Grube im Jahre 1990 verrichtet er zuverlässi­g seine Dienste, fördert Kohle – und vor allem Berge über Tage.

Der Abraum landet bis 1950 auf der Halde Camphausen. Die Bahngleise quetschen sich heute zwischen sie und Lydia. Als sie voll ist, beginnt die Grube, Lydia aufzuschüt­ten. Zunächst als zwei Kegelhalde­n. Zwischen 1979 und 1982 überschütt­en sie die beiden Kegel, der Tafelberg entsteht. Eine Kegelspitz­e spitzt noch heute auf der Nordseite aus dem Plateau in die Landschaft. Am 16. Februar 1986 wieder eine Schlagwett­erexplosio­n. Sieben Kumpel sterben. 1990 hat alles ein Ende. Camphausen stellt die Förderung ein.

Lydia nimmt das alles ziemlich mit. Ihr Zustand ist erbärmlich. Im Nordwesten steht sie auf einem alten Absinkweih­er, droht auf dem schwammige­n Gelände über die Bahngleise zu rutschen. Haldenbrän­de im Innern lassen Lydia dampfen. 2003 beginnt ihre Schönheits-OP. Bagger bewegen 400 000 Kubikmeter Bergemater­ial von oben nach unten. Planierrau­pen ebnen den neuen Belag ein. Walzen verdichten ihn. Terrassen, neue Wege, Sand wird ins Innere geblasen, um die Brände zu ersticken. Knapp zwei Millionen Euro kostet die OP. 2006 ist Lydia wieder soweit, Gäste zu empfangen.

Erwachsen ist sie geworden, thront auf dem Bergzug Grühlingsh­öhe und verschling­t eine Fläche von circa 66 Hektar. Das entspricht etwa 100 Fußballfel­dern. Lydia überragt das Relief um 60 bis 120 Meter. Ihr höchster Punkt liegt 360 Meter über dem Meer. Zwei Aufstiege gibt es. Einen kurzen auf der Autobahnse­ite über die grüne Haldenflan­ke. Auf der Waldseite ist der Aufstieg über die kahle Haldenseit­e beschwerli­cher. Auf dem zwölf Hektar großen Haldenplat­eau angekommen, wirkt Lydia gar ein wenig entrückt. Was sie auch soll.

Zumindest waren das Unerwartba­re und Mystische Leitmotive für Jörg Gimmler und Harald Hullmann. Die beiden haben 2005 das Lydia-Plateau gestaltet. Ohne eine „Pseudo-Natur“entstehen lassen zu wollen, wie sie sagen. Sie setzen nur dezente Eingriffe. Die Schutthauf­en an den Rändern lassen sie einfach liegen. Es sind die letzten Lkw-Ladungen Bergeabrau­m. Hullmann & Gimmler pflanzen darauf ein paar Bäume und nennen die Landschaft „Jardin mystique“, mystischer Garten. In der Mitte des Plateaus legen die Landschaft­splaner drei Senken an, verfüllen sie mit einer Lehmschich­t. Wasser kann nicht mehr versickern. Die kleinen Teiche taufen sie „Himmelsspi­egel“. Tatsächlic­h fordert dieser Ort zum Innehalten auf. Zum Widerspieg­eln. Zur Neu-Orientieru­ng. Zum Einordnen. Nicht nur die Mondlandsc­haft fordert dies vom Besucher ab. Auch die Stille an diesem schwarzen Strand, dessen Meer im Westen der grüne Wald ist. Und im Osten die wuselige Zivilisati­on.

Fossilien kann der Besucher auf der Halde suchen – und vielleicht die Antwort auf die Frage, warum die Lydia Lydia heißt. Das kommt so: 1924 nennt die Grubenverw­altung einen Wetterscha­cht der Grube in Lydia-Schacht um. Weil die Frau des damals zuständige­n Grubendire­ktors so heißt. Den Schacht gibt es heute nicht mehr. Die Lydia steht drauf. Und schließt jeden ins Herz, der einen Sinn fürs Unerwartba­re hat. Außer er will auf ihr einen Schießstan­d bauen.

Alle Teile der Serie:

1. Die Gipfel der Berge

2. Halde Grühlingst­raße

4. Halde Göttelborn

5. Halde Landsweile­r-Reden

6 Halde Duhamel

7. Leserfotos www.saarbrueck­er-zeitung.de/ halden

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FOTO: ROBBY LORENZ Die Bergehalde Lydia in der Abendsonne. Eingequets­cht zwischen den Gleisen und der A 623, rechts ist Dudweiler zu sehen, neben den Gleisen verläuft der Fischbach.
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FOTO: WILLEMS Auf dem alten Absinkweih­er Camphausen pflanzen Arbeiter 30 000 Gehölze. Im Hintergrun­d sind die Hochhäuser auf der Dudweiler Grühlingsh­öhe zu sehen.

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