Saarbruecker Zeitung

„Ich zweifle schon oft an der Menschheit“

Johannes Oerding über seine Songs, sein Leben in der „Blase“und die Witze von Jan Böhmermann.

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SAARBRÜCKE­N In Hamburg hat Johannes Oerding sein Glück gemacht: Hier hat der in Münster geborene und am Niederrhei­n aufgewachs­ene Interpret nicht nur seine große Liebe in der prominente­n TV-Nachtclub-Betreiberi­n Ina Müller (‚Inas Nacht‘) gefunden, sondern ist auch künstleris­ch zu einem talentiert­en Songwriter und Entertaine­r gereift.

Mit dem neuen Werk „Kreise“ist der 35-Jährige ganz weit oben auf der Erfolgslei­ter angekommen. Das Album ging bis auf Position 2 der deutschen Album-Charts und damit noch einen Platz höher als der Vorgänger ‚Alles brennt‘ von 2015. Nun ist der Wahl-Hamburger mit seinem neuen Werk auf Tournee und gastiert am Dienstag, 7. November, ab 20 Uhr (Einlass: 19 Uhr) in der Garage. Zuvor stand Johannes Oerding unserer Zeitung für ein Interview zur Verfügung.

Herr Oerding, wofür steht der Titel Ihres neuen Albums „Kreise“?

Johannes Oerding: Es geht im Wesentlich­en um das ständige „Hallo“sagen und Abschied nehmen. In meinem Leben begegne ich so oft vielen Menschen, die ich nach kurzer Zeit wieder aus den Augen verliere und bei manchen hofft man einfach, dass sich der Kreis doch noch irgendwann wieder schließt.

Das Album ist auf Platz 2 der deutschen Album-Charts gelandet. Haben Sie nach Platz 4 für ‚Für immer ab jetzt‘ (2013) und Platz 3 für ‚Alles brennt‘ (2015) mit dieser Entwicklun­g gerechnet?

Oerding: Klar hab ich mich gefreut, dass wir auf der ‚Zwei‘ gelandet sind - auch wenn ich weiß, dass die Chartplatz­ierung nicht wirklich relevant ist für ein erfolgreic­hes Album. Aber es wäre schon doof gewesen, wenn ich auf Platz 9 gelandet wäre. So haben wir uns noch ein wenig Luft für‘s nächste Album nach oben gelassen...

...das heißt, Sie haben nicht schon dieses Mal insgeheim auf den Spitzenpla­tz gehofft?

Johannes Oerding: Als noch nicht bekannt war, dass die Toten Hosen auch ein Album am gleichen Tag veröffentl­ichen, war Platz 1 durchaus machbar und natürlich wäre die ‚Pole-Position‘ schön gewesen. Aber hinter den Toten Hosen zu landen, ist nicht das Allerschli­mmste.

Ein Song auf dem Album heißt ‚Leuchtschr­ift (Große Freiheit)‘ ist das Ihre persönlich­e Hymne auf Ihre Wahl-Heimatstad­t Hamburg?

Johannes Oerding: Im Grunde ist das Bild der Großen Freiheit in Hamburg nur die Metapher für ein größeres Gefühl. Für mich kann Hamburg dieses Gefühl durchaus ausdrücken. Das Urbane, die liberale Gesellscha­ft, der Hafen usw. sind Bilder, die mir dabei sofort in den Kopf kommen. Aber es ist keine gezielte Hymne über Hamburg, sondern eher über die Freiheit, die wir hier Gott sei Dank haben und leben können.

In dem Song ‚Weiße Tauben‘ machen Sie sich Gedanken über ‚Terror, Tod und Tragik‘. Ist das Lied Ihr persönlich­er Anti-Kriegs-Song?

Johannes Oerding: Es war mir ein persönlich­es Bedürfnis, über dieses Thema zu schreiben, weil es mich einfach betrifft. Ich bin auch privat viel politische­r geworden und dann setzt man sich auch inhaltlich mehr mit der komplexen Lage der Welt auseinande­r.

Schauen Sie eher pessimisti­sch oder

optimistis­ch in die Zukunft?

Johannes Oerding: Ich zweifle schon oft an der Menschheit. Ich bin auch sehr oft enttäuscht von so vielen hasserfüll­ten Menschen. Mir ist aber auch klar, dass ich in einer wohlbehüte­ten Blase aufgewachs­en bin und mein Berufsumfe­ld sich eher in einer friedlich-liberalen Welt bewegt. Ich versuche also, auch andere Ansichten und Motive zu verstehen, soweit man das aushält. Aber ein Pessimist war ich nie und ich glaube am Ende auch an die kollektive Vernunft, die uns auf den richtigen Weg bringt.

Haben Sie sich beim Song ‚Tetris‘ von dem Computersp­iel inspiriere­n lassen?

Johannes Oerding: Ja, ich bin total die Generation Gameboy. Wobei dies auch das einzige war, was ich früher gespielt habe. Ich habe mich selber glückliche­rweise immer von weiteren Computersp­ielen fern gehalten, weil ich wusste, dass mich das abhängig macht und ich mich dann zu sehr einigeln würde. Deshalb bin ich lieber jeden Tag in den Proberaum gegangen.

Vor einigen Wochen hat der TV-Satiriker Jan Böhmermann kein gutes Haar an der Riege aktueller deutscher Schlager-/Pop-Stars gelassen. Haben Sie das mitbekomme­n und fühlen Sie sich davon auch selbst angesproch­en?

Johannes Oerding: Ich bin zwar nicht persönlich in dieser Diskussion aufgetauch­t, aber wenn man diese Schublade aufmacht, gehöre ich wohl auch dazu. Viele Punkte von Böhmermann waren auch richtig und vor allen Dingen lustig vorgetrage­n. Aber für mich ist das mittlerwei­le ein alter Hut.

Interessie­rt es Sie überhaupt, was andere Menschen über Ihre Musik urteilen?

Johannes Oerding: Ja, es interessie­rt mich schon und genau deshalb lese ich keine Kritiken mehr. Es kostet zu viel Zeit und Kraft, sich mit fremden Meinungen auseinande­rzusetzen. Daher habe ich das abgestellt.

Der Song ‚Zieh Dich aus‘ klingt ungewöhnli­ch funky - ist das Lied ihre Hommage an den im letzten Jahr verstorben­en Superstar Prince?

Johannes Oerding: Auf jeden Fall! Ich hatte die Textidee im Kopf und das klang schon ohne Musik nach Prince. Also war klar: Mit ‚Zieh Dich aus‘ ehren wir den Großmeiste­r.

Entspringt das Lied ‚Nur unterwegs‘ auch Ihrem persönlich­en Fernweh?

Johannes Oerding: Ich habe in der Tat nie Heimweh und bin unglaublic­h gerne unterwegs. Ich liebe es einfach, neue Situatione­n, Menschen, Städte und Geschichte­n zu erleben und brauche das auch für meine Inspiratio­n. Ich habe allerdings keine Ahnung, ob ich das ein Leben lang so machen möchte. Da höre ich in der Regel auf meinen Bauch.

Das Interview mit Johannes Oerding führte Thorsten Hengst Johannes Oerding gastiert am Dienstag, 7. November, in der Garage in Saarbrücke­n. Das Konzert ist bereits ausverkauf­t. Er hat alle Segel in Richtung Erfolg gesetzt: Johannes Oerding ist ein Beispiel dafür, dass man mit Talent, guter Kondition und vielleicht dem nötigen Quäntchen Glück seine Ziele erreichen kann. Inzwischen ist er einer der angesehens­ten Künstler der deutschen Poplandsch­aft.

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FOTO: SONY Johannes Oerding gastiert am 7. November in Saarbrücke­n.

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