Ein mehr als fragwürdiges Coming Out
Ausgerechnet nach Missbrauchsvorwürfen gegen einen Jungen outet sich US-Schauspieler Kevin Spacey als schwul.
die Eingeladenen mit einem vorbereiteten Picknick und Champagner auf der Bühne erwartet. Spacey habe sich auch an der Bar des Theaters Schauspielern aufgedrängt. „Auf diese Weise hat er mich beim zweiten Mal berührt. Ich habe mich nie darauf eingelassen, aber ich weiß, dass einige Angst davor hatten, Stopp zu sagen.“
Zu dem Vorwurf des Schauspielers Rapp hat Spacey derweil Stellung genommen. Er stufte den mutmaßlichen Übergriff zwar als „zutiefst unangemessenes“und als „betrunkenes Verhalten“ein. An den Vorfall
US-Komiker Billy Eichner
selbst könne er sich jedoch gar nicht erinnern. Dass der 58-jährige Spacey ausgerechnet diesen Moment nutzte, um sich als schwul zu outen, brachte das Fass für einige zum Überlaufen. Kritikern zufolge wirkte es wie eine gezielte Taktik, um vom Thema abzulenken.
Der Fokus müsse auf dem Opfer bleiben, schrieb Sarah Kate Ellis, Präsidentin der LGBT-Organisation GLAAD, auf Twitter. „Kevin Spacey hat gerade etwas erfunden, das vorher nicht existierte: einen schlechten Zeitpunkt für ein Coming Out“, urteilte der Komiker Billy Eichner.
War es also ein Akt der Verzweiflung oder gar die desaströse Entscheidung von Spaceys PR-Beratern? Wollte Spacey die Deutungshoheit über die Geschichte an sich ziehen und davon ablenken, dass er mutmaßlich Sex mit einem 14-Jährigen haben wollte? Oder „ermutigte“ihn der Vorwurf schlicht dazu, auch „andere Dinge über sein Leben anzusprechen“, wie er selbst schrieb?
Was auch immer Spacey antrieb: Nur rund zwölf Stunden nach seinem Statement folgte ein Paukenschlag aus Los Gatos, Firmensitz des Streaming-Anbieters Netflix. Dessen preisgekrönte Dramaserie „House of Cards“, in der Spacey den skrupellosen Präsidenten Frank Underwood spielt, werde 2018 auslaufen, berichteten US-Medien unter Berufung auf eine Netflix-Sprecherin. Zwar hieß es, der Entschluss sei vor Monaten gefallen. Dennoch entstand der Eindruck, Netflix habe direkt auf die Übergriffsvorwürfe reagiert und deshalb bei der erfolgreichen Serie den Stecker gezogen.
Als einer der wenigen stand Kim Richards, Chef des Film- und Musikstudios Allied Artists, Spacey zur Seite: Affekthandlungen unter Alkoholeinfluss seien ein Zeichen für „übermäßige Hingabe“. Die Twitter-Gemeinde kritisierte Richards umgehend als „Verteidiger eines Vergewaltigers“.
Und das Problem wird noch größer: Indem Spacey seinen mutmaßlichen sexuellen Übergriff auf einen Minderjährigen mit einem Coming Out verbindet, führt er Homosexualität und Pädophilie auf gefährliche Weise zusammen, schreibt die Website „Vox“. An diesen Mythos hatte schon der offen schwul lebende „Breitbart“-Journalist Milo Yiannopoulos angeknüpft, als er sexuelle Annäherungen gegenüber Kindern verteidigte. „Vox“folgert: Wegen Spaceys Äußerungen würden sich einige Schwule von homophoben Gegnern nun möglicherweise auch vorwerfen lassen müssen, Kinder oder Jugendliche zu missbrauchen.
„Spacey hat etwas erfunden, das vorher nicht existierte: einen schlechten Zeitpunkt für ein Coming Out.“