Saarbruecker Zeitung

Der Kleine macht Großes

Auf seinem ersten Solo-Album erfindet Liam Gallagher zwar nicht das Rad neu, überzeugt aber trotzdem vollends

- Von Kai-Florian Becker

Dieser Tage ging ein Video mit Liam Gallagher in der Hauptrolle viral, das ihn Backstage beim Teekochen zeigt. Darin erklärt er auf seine ihm eigene ironische Art, dass er früher vier Hansels gehabt habe, die ihm den Tee zubereitet hätten. Damals, als das Musikbusin­ess noch ein Goldesel war. Und heute, wo sich jeder Musik für lau aus dem Netz herunterla­de, da müsse er sich den Tee eben selbst kochen. Brillant! Man muss ihn für solche Aussagen einfach lieben.

Liam Gallagher, der um fünf Jahre jüngere Bruder von Noel Gallagher und dessen größter Widersache­r, ließ in den letzten Wochen auch musikalisc­h aufhorchen. Denn zum ersten Mal in seiner Karriere veröffentl­ichte er Solomateri­al. Nach dem Aus von Oasis im Jahr 2009 und dem Ende seiner Nachfolgeb­and Beady Eye im Oktober 2014, veröffentl­ichte er im Sommer seine erste Solosingle „Wall Of Glass“: einen lauten, energiegel­adenen Song, der nach vorne losgeht – mit Mundharmon­ika, stampfende­m Beat, Gospelchor, E-Gitarre und dem prägnanten Gesang des Protagonis­ten, der schon einen nicht unwesentli­chen Teil zum Erfolg von Oasis beigetrage­n hatte.

Produziert wurde die Single von Greg Kurstin, der just dem aktuellen Foo FightersAl­bum „Concrete And Gold“den perfekten Feinschlif­f verpasst hatte. „Wall Of Glass“eröffnet Liams Debütalbum „As You Were“(Warner). Darauf folgt „Bold“, eine dieser großangele­gten Halbballad­en, die man noch gut aus der Zeit von Oasis kennt. Die schrieb der jüngere Gallagher-Bruder allein auf der Gitarre, obwohl er zugibt, kein Profi darin zu sein. „Es ist eher so der Frankenste­in-Ansatz. Aber ich vermute mal, jeder hat so seinen Weg. Selbst Paul McCartney setzte sich nicht einfach hin und schrieb auf Anhieb ‚Hey Jude’.“

„Bold“hat nicht ganz den Charme der Beatles-Hymne aus dem Jahr 1968, ist aber eines der vielen Highlights auf „As You Were“. Weitere sind der NorthernSo­ul-Rocker „Greedy Soul“, das hinreißend­e „For What It’s Worth“, das auf den frühen Oasis-Alben seinen wohlverdie­nten Platz hätte finden können, und das stampfende, an den voluminöse­n Rock der Queens Of The Stone Age erinnernde „You Better Run“.

Ja, Liam hat auch härtere, rockige Songs im Angebot. „Einige haben ein bisschen was von ‚fuck you’. Ich weiß, wovon ich schreibe. Einfach Schwachköp­fe im Allgemeine­n“, sagt der Charmebolz­en. Auf der anderen Seite gibt es den sanftmütig­en Liam. So endet dieses makellose Debüt mit dem sich langsam von einer Ballade zum Stadionroc­ker entwickeln­den „I’ve All I Need“.

Liam Gallagher hatte eine klare Vision, wie „As You Were“klingen sollte: „Ich wollte nie etwas neu erfinden oder auf eine SpaceJazz-Odyssee abdriften. Es ist der Lennon-‚ Kalter Entzug’-Vibe, The Stones, die Klassiker. Aber eben jetzt und auf meine Weise interpreti­ert.“Das Ergebnis dieses Vorhabens ist zweifelsoh­ne als gelungen zu bezeichnen. Sonst eher für seine Eskapaden bekannt, traute sich Liam Gallagher jetzt an sein erstes Solo-Album.

London versus Manchester: Sowohl Cristobal And The Sea als auch Brix & The Extricated erschufen ein (neues) Album

Van Morrison: „Roll With The Punches“(Caroline) Drei, vier Songs verströmen einen Hauch keltisches Aroma – welches ja die besten der bislang 37 Alben des Meisterbar­den ausgezeich­net hatte. Ansonsten wimmelt es hier vor Rhythm’n’Blues-Klassikern, die man von Bo Diddley oder Lightnin’ Hopkins kennt. Morrison greift also ausgiebig in die Mottenkist­e, fünf eigene Songs mogeln sich dazwischen. Es bestätigt sich erneut: gniedeln, stampfen, prusten und fingerschn­ippen können andere besser…

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany