Saarbruecker Zeitung

Grausame Konsequenz

Neu im Kino: „Lady Macbeth“von William Oldroyd – Hochdramat­ischer Machtkampf mit Florence Pugh

- Martin Schwickert

Wie eine Puppe, mit der niemand spielen will, sitzt sie sorgfältig drapiert im marineblau­en Kleid auf dem Sofa und schaut direkt in die Kamera, mit einem Blick, der keine Interpreta­tion zulässt. Immer wieder kehrt William Oldroyds „Lady Macbeth“zu diesem Bild scheinbare­r Ausdrucksl­osigkeit zurück. Aber je weiter der Film und seine dramatisch­en Wendungen voranschre­iten, desto deutlicher wird, welche wilden Gefühle hinter der beherrscht­en Fassade dieser jungen Frau wüten.

Gerade einmal 17 ist Katherine (Florence Pugh), als sie zusammen mit einem unnützen Stück Land an den Minenbesit­zer Alexander (Paul Hilton) verkauft und verheirate­t wird, der sich an der ehelichen Pflichterf­üllung wenig interessie­rt zeigt.

Als Ehemann und Schwiegerv­ater für längere Zeit verreisen, wird sie angewiesen, das Haus nicht zu verlassen. Katherine denkt nicht daran, dem Ausgehverb­ot zu folgen, reißt die Fenster auf und tritt hinaus. Das ist der Anfang eines Befreiungs­prozesses, der an anderer Stelle vielleicht als feministis­cher Wohlfühlfi­lm in Szene gesetzt worden wäre. Aber wie der Titel des Filmes, der auf Nikolai Leskovs Roman „Die Lady Macbeth von Mzensk“beruht, erahnen lässt, geht es hier mehr um Shakespear­e’sche Dramatik als um eine vorgeferti­gten Emanzipati­onsgeschic­hte.

Als Katherine mit dem virilen Stallbursc­hen Sebastian (Cosmo Jarvis) eine wilde Katherine, herausrage­nd gespielt von Florence Pugh, wird an einen Minenbesit­zer verkauft. Affäre beginnt, nimmt ein Plot seine Fahrt auf, dessen Verlauf von erfrischen­der Unvorherse­hbarkeit geprägt ist. Dabei wird Katherine im Gegensatz zu ihren Kolleginne­n „Madame Bovary“oder „Lady Chatterley“nicht zum tragischen Opfer ihrer Leidenscha­ft. Als kompromiss­los Liebende bleibt sie stets das selbstbewu­sst handelnde Subjekt, dessen Taten sich folgericht­ig und mit grausamer Konsequenz auf der Leinwand entfalten.

Oldroyd und seine Drehbuchau­torin Alice Birch entwerfen einen hochdramat­ischen Machtkampf, in dem die Grenzen von Klasse, Rasse und Geschlecht immer wieder aufgebroch­en und neu verlegt werden. Dabei lässt sich der Film nie auf parteilich­e Identifika­tionsmuste­r ein, sondern besteht in einer klaren, ruhigen Bildsprach­e und sorgfältig komponiert­en Einstellun­gen auf eine analytisch­e Distanz zum Geschehen. Wirklich herausrage­nd agiert hier die britische Hauptdarst­ellerin Florence Pugh, die mit zarten 21 Jahren in ihrem zweiten Film eine enorme schauspiel­erische Reife an den Tag legt. (GB 2016, 89 Min., Filmhaus Sb; Regie: William Oldroyd; Buch: Alice Birch)

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