Arbeitslosigkeit im Saarland auf neuem Rekordtief
Die Wirtschaft boomt, doch Langzeitarbeitslose fehlen weiter Chancen.
SAARBRÜCKEN (SZ) Die Arbeitslosigkeit im Saarland ist auf ein neues Rekordtief gesungen. Von September bis Oktober ging die Zahl der Männer und Frauen ohne Stelle um 597 auf 33 265 zurück, wie die Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit gestern mitteilte. Ein Jahr zuvor war die Zahl um 1745 höher. Die Quote sank im Oktober auf 6,4 gegenüber 6,8 Prozent vor einem Jahr und 6,5 im September. Es ist der geringste Wert seit über 40 Jahren. Auf dem Ausbildungsmarkt ist nach Angaben der Regionaldirektion zum vierten Mal in Folge die Zahl offener Stellen deutlich höher als die der Bewerber.
Mit der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt liegt das Saarland im Bundestrend. Deutschlandweit sank die die Zahl der Arbeitslosen im Oktober auf 2,389 Millionen.
NÜRNBERG (dpa) Rekordtief bei den Arbeitslosenzahlen und ein beispielloser Beschäftigungsboom – der ungewöhnlich robuste deutsche Arbeitsmarkt mit 2,389 Millionen Jobsuchern und 780 000 offenen Stellen im Oktober scheint nicht gerade der Stoff zu sein, der die Berliner Jamaika-Verhandlungen scheitern lassen könnte. Dennoch: Forscher warnen gerade beim Thema Arbeitsmarkt die Architekten einer möglichen Koalition aus CDU/CSU, FDP und Grünen vor zu viel Selbstzufriedenheit. In ihren Augen wartet in der Arbeitsmarktpolitik selbst in Zeiten des Job-Aufschwungs eine lange Liste von Hausaufgaben auf die Politik.
Denn, so mahnt etwa das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), „gerade jetzt müssen die Weichen gestellt werden, um zu weiteren Fortschritten zu gelangen und für kommende Krisen gewappnet zu sein“. Wissenschaftler anderer Forschungsinstitute sehen das ähnlich. Zwar sind sich die Experten keineswegs in allen Punkten einig – in einem aber schon: Eine Jamaika-Koalition muss die Langzeitarbeitslosigkeit spürbar senken.
Für das IAB, die Denkfabrik der Bundesagentur für Arbeit, bedeutet das konkret eine deutliche Aufstockung des Jobcenter-Personals. Vermittler und Fallmanager müssen für weniger Hartz-IV-Betroffene zuständig sein, um diese besser betreuen zu können. Wer die Zahl der Langzeitarbeitslosen dauerhaft unter einer Million drücken wolle, müsse auch mehr für die ihre beruflich Förderung tun. Statt kurzer ein- bis zweiwöchiger Trainingskurse sollte geeigneten Bewerbern verstärkt eine Berufsausbildung angeboten werden, rät das IAB.
Das geht nach einer Einschätzung der Nürnberger Arbeitsmarktforscher nicht ohne mehr Geld für die Jobcenter. Dabei wissen sie Bundesagentur-Chef Detlef Scheele an ihrer Seite. Dieser hat in den vergangenen Wochen wiederholt die Finanzausstattung der Jobcenter bemängelt. Seit 2013 hat die Regierung das Budget gedeckelt. Um Konzepte für eine bessere Betreuung von Langzeitarbeitslosen umzusetzen, seien rund 700 Millionen Euro zusätzlich vom Bund nötig.
Nach Einschätzung der meisten Forscher kommt eine mögliche „Jamaika“-Koalition auch um die heiklen Themen „sozialer Arbeitsmarkt“oder „zweiter Arbeitsmarkt“nicht herum – und zwar für jene, die so gut wie keine Chancen auf eine Stelle in einem regulären Unterneh- men haben. Ihnen sollen öffentlich geförderte Jobs bei Beschäftigungsgesellschaften angeboten werden, die sie wieder an das Arbeitsleben heranführen – ein Konzept, das wegen seiner hohen Kosten allerdings höchst umstritten ist.
Toralf Pusch vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung sieht für den harten Kern der Langzeitarbeitslosen trotzdem keine Alternative dazu. Er fordert von der künftigen Bundesregierung eine radikale Abkehr von der „restriktiven Förderpolitik“und stattdessen eine „offensive öffentliche Beschäftigung“bei einem professionellen Beschäftigungsunternehmen, das die Betroffenen behutsam aufbaue und entwickle.
Ein weiterer Punkt, den Karl Brenke, Arbeitsmarktforscher beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW ), und das IAB der künftigen Regierung ans Herz legen: Schluss mit der steuerlichen und abgaberechtlichen Privilegierung von 450-Euro-Jobs. Nach IAB-Beobachtung erweisen sich solche Jobs für Frauen oft als Bumerang. Sie hindere sie aus Sorge vor steuerlichen Nachteilen für ihren Ehemann oft an einer regulär vergüteten Festanstellung. Das werde für manche Frauen nicht selten zum Karriere-Killer. Zudem würden sie damit um eine gesicherte Rente gebracht. 450-Euro-Jobs sind für Betroffene steuerund abgabenfrei.