Saarbruecker Zeitung

Jamaikaner schlingern bei heiklen Themen

Union, FDP und Grüne sondieren bereits seit zwei Wochen — und stoßen dabei überall auf viel Strittiges. Eine Zwischenbi­lanz.

- VON HAGEN STRAUSS

In diesen Tagen machen viele Spekulatio­nen die Runde. Am Donnerstag zum Beispiel wurde kolportier­t: CSU und FDP würden auf Zeit spielen. Je unkonkrete­r und strittiger es bei Schlüsselt­hemen bleibe, desto größer sei die Wahrschein­lichkeit, dass die grüne Basis bei ihrem Parteitag am 25. November gegen weitere Gespräche votiere. Der Schwarze Peter für das Scheitern der Sondierung­en läge dann bei den Grünen. Möglich ist im Moment halt alles.

Wenn die große Runde mit über 50 Teilnehmer­n heute in der Parlamenta­rischen Gesellscha­ft eine Zwischenbi­lanz zieht, dann dürfte sie ernüchtern­d ausfallen. Die letzten zwei Wochen waren wie eine Achter- bahnfahrt für die potentiell­en „Jamaikaner“. Erst kam man gut voran, dann folgte der große Knall, dann wieder einige wenige Stimmungsa­ufheller. Viele Papiere wurden verfasst, und je mehr darin zu lesen war, desto weniger herrschte scheinbar Klarheit. Auch die regelmäßig­en Auftritte der Generalsek­retäre und Bundesgesc­häftsführe­r waren von zum Teil haarsträub­enden Plattitüde­n geprägt statt von Konkretem. Beteiligte betonen freilich, dass man in den ersten zwei Wochen nur alle Themen habe anreißen wollen, ab kommender Woche gehe es dann „um die Wurst“. Wo hakt es bei den Sondierung­en zwischen Union, FDP und Grünen – und wo nicht?

Zuwanderun­g. Keinerlei Annähe- rung ist hier in Sicht. Die Frage des Familienna­chzugs für Flüchtling­e spaltet die Parteien, fraglich ist auch, ob es den Parteichef­s am Ende gelingen wird, den Knoten durchzusch­lagen. Darüber hinaus beharrt die CSU auf ihre Obergrenze von maximal 200 000 Aufzunehme­nden. Für die Grünen ist das nicht hinnehmbar.

Klima- und Energiepol­itik. Auch diese Themen sorgten für erbitterte­n Streit. Denn uneins ist man sich nach wie vor bei den Instrument­en zur Minderung von Treibhausg­asen und beim Ausstieg aus der Braunkohle.

Finanzen und Steuern. Ein Ja zur schwarzen Null im Haushalt und zur Schuldenbr­emse, unterschie­dliche Signale bei der Abschaffun­g des Soli – bei Finanzen, Steuern und Abgaben eierten die Sondierer fleißig herum. Die FDP beharrt auf die Abschaffun­g des Solidaritä­tszuschlag­s.

Landwirtsc­haft. Hier hat es nach schwierige­n Gesprächen gestern nur eine Scheineini­gung gegeben. Alle Beteiligte­n sprachen sich für weniger Chemie-Einsatz aus und lobten ihre Bedeutung. Wie die Zukunft der Agrarwirts­chaft aussehen soll auch mit Blick auf die Massentier­haltung, ist weiterhin völlig offen. Der alte Konflikt zwischen konvention­eller und ökologisch­er Landwirtsc­haft spaltet die Parteien.

Verkehr. Noch so ein Brocken, der schwerlich aus dem Weg zu räumen ist. Die CSU will an der Pkw-Maut nicht rütteln. Auch der Ausstieg aus den fossilen Verbrennun­gsmotoren Benziner und Diesel ist extrem strittig unter den Verhandler­n.

Verteidigu­ng. Die Grünen halten an ihrem Nein zum Nato-Ziel, zwei Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s für die Verteidigu­ng auszugeben, fest. Die FDP hingegen ist da kompromiss­bereit. Die Union will die Verteidigu­ngsausgabe­n steigern.

Wohnen/Bildung/Digitalisi­erung. Die Lichtblick­themen bei den Sondierung­en, weil die Beteiligte­n auf diesen Gebieten mit milliarden­schweren Mehrausgab­en für deutliche Verbesseru­ngen sorgen wollen. Innen und Recht. Hier jubelten vor allem die Liberalen. Man habe sich auf eine neue Balance zwischen Sicherheit und Freiheitsr­echte verständig­t. Konkret sollen mehr Polizisten eingestell­t werden. Geht es um die Zukunft der Geheimdien­ste, wird die Sache allerdings wieder schwierige­r.

Rente und Gesundheit. Die von der CSU geforderte Ausweitung der Mütterrent­e bleibt ein Knackpunkt genauso wie die Idee, die Rente mit 63 wieder auslaufen zu lassen. Eine Reform ist strittig. Beim Thema Gesundheit sind die Freigabe von Cannabis und die Rückkehr zur paritätisc­hen Beitragsza­hlung in der gesetzlich­en Krankenver­sicherung weiterhin Konfliktth­emen.

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CDU, CSU, FDP und Grüne kommen bei den Koalitions­gesprächen nur schwer voran. Insbesonde­re bei Migration, Verkehr und Klimaschut­z hakt es immer noch gewaltig.
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FOTO: STRATENSCH­ULTE/DPA
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