Ebbe in der EU-Kasse nach dem Brexit
Nach dem Austritt der Briten sieht es düster aus für die EU-Finanzen. Deutschland drohen Milliarden-Kürzungen, die gerade das Saarland spüren wird.
Jens Geier schwant nichts Gutes. „Ich kenne keinen Haushalt, der eine solche Kürzung allein durch Einsparungen schafft“, sagte der Chef der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament vor wenigen Tagen in Brüssel. Der Mann sollte es wissen: Geier ist Haushaltspolitiker und mit den Folgen des Brexit beschäftigt. Die Finanzierung der Union ohne Großbritannien sieht düster aus – und dürfte auch Deutschland empfindlich treffen. Denn das Vereinigte Königreich steuert zum Haushalt der EU den zweithöchsten Beitrag der Mitgliedstaaten bei – nach Abzug des Briten-Rabatts zwischen zehn und zwölf Milliarden Euro im Jahr. Das sind, so hat nicht nur Geier ausgerechnet, knapp zehn Prozent der 135 Milliarden Euro, die die Gemeinschaft 2017 zur Verfü- gung hat. Für Haushaltskommissar Günther Oettinger, der bereits mit den ersten Arbeiten für die nächste Finanzperiode von 2021 bis 2027 beschäftigt ist, bedeutet dies eine „Quadratur des Kreises“. Soll heißen: Der frühere CDU-Regierungschef von Baden-Württemberg will die Hälfte der wegfallenden Gelder einsparen, die andere Hälfte durch höhere Einnahmen wettmachen. „Nettozahler müssten etwas mehr bezahlen“, schrieb Oettinger jetzt in seinem Blog. Für Deutschland wird mit einer Anhebung des EU-Betrags im „überschaubaren einstelligen Milliardenbereich“gerechnet.
Das tut zwar weh, scheint aber sogar für eine Jamaika-Koalition in Berlin verkraftbar. Deutlich größere Probleme könnten allerdings die Einsparungen verursachen. Denn dabei will der Kommissar vor allem bei den so wichtigen Mitteln für die Infrastruktur zu einem neuen System greifen. Die Subventionen aus Brüssel sollen an die Einhaltung rechtsstaatlicher Grunsätze geknüpft werden – vor allem Polen, Tschechien, oder Ungarn will die EU auf diese Weise auf den Pfad der Demokratie zurückholen. Doch Oettinger weiß auch: Ohne Einschnitte wird es nicht gehen. Und die treffen vor allem Deutschland. Rund 18 Milliarden Euro könnten in der nächsten Finanzperiode dem Brüs- seler Rotstift zum Opfer fallen. Betroffen wären praktisch alle Projekte in den Regionen, die noch Aufholbedarf haben: Dazu zählen die östlichen Bundesländer, aber auch das Saarland. Wenn die EU als Geldgeber ausfällt, so fürchtet die Bundesregierung, dürften zahllose Vorhaben am Ende sein, weil der nächste Finanzminister den Gesamteffekt von höheren EU-Beiträgen plus geringeren Fördergeldern nicht wird auffangen können.
Zumal der Haushaltskommissar auch weitere Sonderkonditionen streichen möchte. Haushaltspolitiker verweisen darauf, dass bisher von 100 verdienten Euro zwar die Hälfte durch Steuern und Sozialabgaben wieder abgezogen wird, davon aber nur ein Euro an die Gemeinschaft fließe. Trotzdem scheint massiver Streit vorprogrammiert, wenn das Konzept erst einmal auf den Tisch liegt und die betroffenen Länder schwarz auf weiß haben, welche Subventionen schon in wenigen Jahren versiegen dürften.