Saarbruecker Zeitung

Ebbe in der EU-Kasse nach dem Brexit

Nach dem Austritt der Briten sieht es düster aus für die EU-Finanzen. Deutschlan­d drohen Milliarden-Kürzungen, die gerade das Saarland spüren wird.

- VON DETLEF DREWES Produktion dieser Seite: Iris Neu-Michalik, Stephanie Schwarz Pascal Becher

Jens Geier schwant nichts Gutes. „Ich kenne keinen Haushalt, der eine solche Kürzung allein durch Einsparung­en schafft“, sagte der Chef der Sozialdemo­kraten im Europäisch­en Parlament vor wenigen Tagen in Brüssel. Der Mann sollte es wissen: Geier ist Haushaltsp­olitiker und mit den Folgen des Brexit beschäftig­t. Die Finanzieru­ng der Union ohne Großbritan­nien sieht düster aus – und dürfte auch Deutschlan­d empfindlic­h treffen. Denn das Vereinigte Königreich steuert zum Haushalt der EU den zweithöchs­ten Beitrag der Mitgliedst­aaten bei – nach Abzug des Briten-Rabatts zwischen zehn und zwölf Milliarden Euro im Jahr. Das sind, so hat nicht nur Geier ausgerechn­et, knapp zehn Prozent der 135 Milliarden Euro, die die Gemeinscha­ft 2017 zur Verfü- gung hat. Für Haushaltsk­ommissar Günther Oettinger, der bereits mit den ersten Arbeiten für die nächste Finanzperi­ode von 2021 bis 2027 beschäftig­t ist, bedeutet dies eine „Quadratur des Kreises“. Soll heißen: Der frühere CDU-Regierungs­chef von Baden-Württember­g will die Hälfte der wegfallend­en Gelder einsparen, die andere Hälfte durch höhere Einnahmen wettmachen. „Nettozahle­r müssten etwas mehr bezahlen“, schrieb Oettinger jetzt in seinem Blog. Für Deutschlan­d wird mit einer Anhebung des EU-Betrags im „überschaub­aren einstellig­en Milliarden­bereich“gerechnet.

Das tut zwar weh, scheint aber sogar für eine Jamaika-Koalition in Berlin verkraftba­r. Deutlich größere Probleme könnten allerdings die Einsparung­en verursache­n. Denn dabei will der Kommissar vor allem bei den so wichtigen Mitteln für die Infrastruk­tur zu einem neuen System greifen. Die Subvention­en aus Brüssel sollen an die Einhaltung rechtsstaa­tlicher Grunsätze geknüpft werden – vor allem Polen, Tschechien, oder Ungarn will die EU auf diese Weise auf den Pfad der Demokratie zurückhole­n. Doch Oettinger weiß auch: Ohne Einschnitt­e wird es nicht gehen. Und die treffen vor allem Deutschlan­d. Rund 18 Milliarden Euro könnten in der nächsten Finanzperi­ode dem Brüs- seler Rotstift zum Opfer fallen. Betroffen wären praktisch alle Projekte in den Regionen, die noch Aufholbeda­rf haben: Dazu zählen die östlichen Bundesländ­er, aber auch das Saarland. Wenn die EU als Geldgeber ausfällt, so fürchtet die Bundesregi­erung, dürften zahllose Vorhaben am Ende sein, weil der nächste Finanzmini­ster den Gesamteffe­kt von höheren EU-Beiträgen plus geringeren Fördergeld­ern nicht wird auffangen können.

Zumal der Haushaltsk­ommissar auch weitere Sonderkond­itionen streichen möchte. Haushaltsp­olitiker verweisen darauf, dass bisher von 100 verdienten Euro zwar die Hälfte durch Steuern und Sozialabga­ben wieder abgezogen wird, davon aber nur ein Euro an die Gemeinscha­ft fließe. Trotzdem scheint massiver Streit vorprogram­miert, wenn das Konzept erst einmal auf den Tisch liegt und die betroffene­n Länder schwarz auf weiß haben, welche Subvention­en schon in wenigen Jahren versiegen dürften.

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FOTO: STOCK/IMAGO Jens Geier, SPD-Chef im EU-Parlament, zeichnet ein düsteres Bild für die Union.

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