Saarbruecker Zeitung

„Sexismus bedeutet, das Gegenüber nicht auf Augenhöhe zu sehen“

- Produktion dieser Seite: Fatima Abbas Joachim Wollschläg­er DAS INTERVIEW FÜHRTE GERRIT DAUELSBERG

SAARBRÜCKE­N Die Frauenbeau­ftragte der Stadt Saarbrücke­n, Petra Messinger, zieht eine klare Grenze zwischen Kompliment­en und sexueller Belästigun­g. Dabei gehe es immer darum, auf die Reaktion des Gegenübers zu achten.

Frau Messinger, wie verbreitet ist Sexismus in unserem Alltag?

MESSINGER Sexismus ist leider nach wie vor weit verbreitet. Man sieht an der aktuellen #MeToo-Debatte in den sozialen Medien um den Hollywood-Produzente­n Weinstein, wie groß die Betroffenh­eit der Frauen ist. Es geht dabei um Ungleichbe­handlung und Diskrimini­erung, aber auch um sexuelle Übergriffe bis hin zur Vergewalti­gung.

Welche Art von Fällen haben Sie in Ihrer Funktion als Frauenbeau­ftragte erlebt?

MESSINGER An die kommunale Frauenbeau­ftragte können sich alle Betroffene­n wenden, sie ist für das gesamte Stadtgebie­t zuständig. Es gibt außerdem spezialisi­erte Beratungss­tellen, an die wir weiterverm­itteln. Wir sind in unserer Stadt sehr gut vernetzt und arbeiten sehr profession­ell. Sie können davon ausgehen, dass ich bislang alle Fälle, die vorkommen können, erlebt habe.

Welche Möglichkei­ten haben Sie, um in solchen Situatione­n gegenzuste­uern?

MESSINGER Das hängt sehr davon ab, um welches Delikt es sich handelt. Zunächst geht es darum, den Betroffene­n zuzuhören, sie ernst zu nehmen, ihnen einen geschützte­n Raum zu bieten, in dem sie sich anvertraue­n können. In Erwägung zu ziehen sind weitere Schritte wie Erstattung von Anzeigen und anwaltlich­e Beratung. Der Schutz des Opfers steht dabei immer an erster Stelle.

Wo liegen aus Ihrer Sicht die Grenzen zwischen Kompliment­en, vielleicht auch Avancen, und Sexismus?

MESSINGER Das ist meines Erachtens überhaupt nicht schwer zu unterschei­den. Sexismus bedeutet, Grenzen zu überschrei­ten und das Gegenüber nicht auf Augenhöhe zu sehen. Kompliment­e können etwas sehr Schönes sein, wenn derjenige, der sie ausspricht, bereit ist, auf die Reaktion des Gegenübers zu achten. Wenn ich genau hinhöre, merke ich dann, wenn sie nicht erwünscht sind und unterlasse jede weitere Annäherung. Das Problem beginnt mit der Grenzübers­chreitung.

Was muss aus Ihrer Sicht passieren, damit Sexismus abnimmt? Was können Frauen, was sollten Männer tun?

MESSINGER Frauen haben das Recht, sich abzugrenze­n und sollten den Mut haben, Nein zu sagen. Die Zeiten, in denen sie sich vor negativen Konsequenz­en fürchten mussten, sollten vorbei sein. Männer müssen Frauen respektier­en und sich klarmachen, dass ihr Verhalten kein Kavaliersd­elikt ist. Die Rechtslage ist eindeutig, untersagt und ahndet die Übergriffe.

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