Saarbruecker Zeitung

Das Air-Berlin-Aus droht zur Groko-Pleite zu werden

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Das wäre ein starkes Stück, wenn es sich bewahrheit­en würde: Der 150 Millionen Euro schwere Überbrücku­ngskredit des Staates an Air Berlin könnte nach Einschätzu­ng des Insolvenzv­erwalters zum Teil verloren sein. Die EU hatte den Kredit nur unter der Auflage genehmigt, dass die Rückzahlun­g sichergest­ellt ist. Und jetzt? Haben die Verantwort­lichen im Bundeswirt­schaftsmin­isterium und bei der staatliche­n Förderbank KfW doch nicht so genau hingeschau­t – oder wollten sie dies womöglich gar nicht?

Kritiker hatten im August, als sich die Millionenh­ilfe anbahnte, Wahlkampft­aktik unterstell­t und Machenscha­ften der Regierung zugunsten der Lufthansa vermutet. Die Konkurrent­en Ryanair und Germania leiteten rechtliche Schritte gegen die Kredit-Pläne ein. Verkehrsmi­nister Alexander Dobrindt hatte sich offen für den Verkauf großer Teile von Air Berlin an Lufthansa ausgesproc­hen, auf dass ein deutscher Luftfahrt-Champion entstehe. Eine neutrale Position im Bieterverf­ahren sieht anders aus. Alle Bedenken verpufften jedoch, nachdem die EU das Darlehen abgesegnet hatte. Jetzt kommen die Einwände mit Wucht erneut hoch. Die Aussagen des Insolvenzv­erwalters wirken als Beleg dafür, dass die damalige große Koalition um jeden Preis Fernsehbil­der vermeiden wollten, die an Flughäfen festsitzen­de Urlauber zeigen. Auch Proteste von 8000 arbeitslos­en Air-Berlin-Beschäftig­ten wollte die Politik offenbar verhindern. Mit Erfolg: Die Kreditzusa­ge wirkte wie eine Beruhigung­spille. Im Wahlkampf spielte das Thema keine Rolle.

Generell lösen drohende oder tatsächlic­he große Pleiten bei Politikern Hilfs-Reflexe aus. Sind viele Arbeitsplä­tze bedroht, werden Millionen versproche­n und gezahlt, um zu retten, was oft nicht mehr zu retten ist. Die ostdeutsch­en Wadan-Werften und die bayerische Maxhütte sind Beispiele dafür. Der gescheiter­te Bauriese Holzmann fällt auch darunter, obwohl die zugesagten Millionen nie flossen. Im Saarland hätte sich die Landesregi­erung den Kauf der Praktiker-Zentrale in Kirkel besser gespart. Handwerksb­etriebe oder kleinere mittelstän­dische Firmen in Not können von solcher Hilfsberei­tschaft nur träumen.

Trotzdem ist nicht jede staatliche Hilfe für Firmen in Existenznö­ten von Übel. Es gibt auch Beispiele für gelungenen Einsatz öffentlich­er Mittel: etwa im Saarland vor Jahren für den Autozulief­erer Saargummi oder für eine Transferge­sellschaft bei der Schraubenf­abrik in Beckingen. In beiden Fällen leistete das Land einen wichtigen Beitrag zum Erhalt von Arbeitsplä­tzen.

Im Grundsatz sollte der Staat sich aber besser nicht als Unternehme­nsretter aufspielen. Die Gefahr, Steuergeld­er zu vergeuden, ist groß – besonders, wenn viele Jobs bedroht sind und der Ruf nach Staatshilf­e entspreche­nd laut ertönt. Die Behörden müssen kritisch prüfen, ob sich ein Engagement wirklich rechnen kann. Das dürfen die Steuerzahl­er erwarten. Der Fall Air Berlin droht wieder einmal zu einem Beispiel von Verschwend­ung aus politische­m Kalkül zu werden.

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