Saarbruecker Zeitung

Trump in den Fallstrick­en der Justiz

Der US-Präsident wünscht den mutmaßlich­en Attentäter von New York nach Guantánamo – den Juristen im Lande stehen die Haare zu Berge.

- VON MICHAEL DONHAUSER

(dpa) Irgendjema­nd muss Donald Trump gesteckt haben, dass das nicht so einfach ist mit Guantánamo. Noch am Mittwoch wollte er den Attentäter, der mit seinem Pick-Up in New York acht Menschen getötet hat, in das berüchtigt­e Straflager für Terrorverd­ächtige auf Kuba stecken. Über Nacht fiel dem Präsidente­n dann ein anderer Weg ein, wie er sich als Chef der Exekutive mal eben über das Prinzip der Gewaltente­ilung und die richterlic­he Unabhängig­keit gleicherma­ßen hinwegsetz­en konnte: Er forderte die Todesstraf­e, wohl auch, um die große Haudrauf-Fraktion in seiner Wählerscha­ft zu erfreuen.

Beides lässt Juristen in den USA die Haare zu Berge stehen. Schon Minuten nachdem Trump am Mittwoch gesagt hatte, eine Überstellu­ng nach Guantánamo werde er sicherlich in Erwägung ziehen, fingen in den Hinterzimm­ern des Weißen Hauses seine Helfer an, zurückzuru­dern. Es sei „nur eine Option“gewesen, hieß es hinter vorgehalte­ner Hand.

Die das sagten, wussten, auf welch buchstäbli­ch vermintes Gebiet sich der Präsident – wissentlic­h oder blauäugig – gerade begeben hatte. Das rechtliche Fundament für Guantánamo, nach den Terroratta­cken vom 11. September 2001 eingericht­et, steht bis heute nicht. Trumps Vorgänger Barack Obama scheiterte mit seinem Bemühen, das Lager aufzulösen, unter anderem an Rechtsfrag­en. Und Obama ist Jurist.

Noch nie haben die USA einen Straftäter oder Verdächtig­en nach Guantánamo geschickt, der eine Straftat auf US-Boden verübt hat. Lediglich einmal wurde ein Mann dorthin geschickt, der zwar woanders ein Verbrechen verübt hatte, aber in den USA festgenomm­en wurde. Bis heute steht eine Entscheidu­ng des Obersten Gerichts- hofes in Washington aus, ob dies rechtmäßig war. „Wer einen Festtag für Verfassung­srechtler schaffen will, der muss diesen Weg gehen“, resümierte die „Washington Post“.

Trump machte verbal noch in der Nacht auf dem Absatz kehrt und befand, es sei ja viel besser, den Attentäter – „dieses Tier“, wie er ihn nannte – dort zu verurteile­n, wo er die schlimme Tat begangen hatte – eine Idee, die sein Vorgänger Barack Obama einst für den 9/11-Drahtziehe­r Scheich Khalid Mohammed geboren hatte. Zudem sei der Weg, ihn vor ein ordentlich­es Bundesgeri­cht zu stellen, schneller und effektiver als der Umweg über die Militärjus­tiz.

Jene ordentlich­e Gerichtsba­rkeit, die Trump tags zuvor noch als „Witz“und „Lachnummer“bezeichnet hatte. Jene Gerichtsba­rkeit auch, deren führende Juristen er bei anderer Gelegenhei­t als „sogenannte Richter“lächerlich gemacht hatte. Jene Gerichtsba­rkeit anderersei­ts aber auch, die er ganz großartig findet, weil er in den vergangene­n neun Monaten Dutzende konservati­ver Bundesrich­ter eingesetzt hat.

Dass Trump dann gleich die To- desstrafe für den Mann forderte, dessen Fall noch längst nicht ausermitte­lt ist und dessen Anklage gerade einmal ein paar Stunden alt ist, empfanden Juristen als ungeschick­t. Er tat es nicht zum ersten Mal.

Im Wahlkampf hatte sich Trump in die Ermittlung­en gegen den mutmaßlich­en Fahnenflüc­htling Bowe Bergdahl eingemisch­t, der in Afgha- nistan seine Einheit verlassen hatte. Die Anwälte des Mannes, den Trump einen „dreckigen, verdorbene­n Verräter“nannte, nehmen die Äußerungen des Präsidente­n und Oberbefehl­shabers der US-Armee inzwischen als Argument, dass ihrem Mandanten ein faires Verfahren verweigert wird.

Bestenfall­s sind Trumps missglückt­e Äußerungen als Versuch zu werten, den Abschrecku­ngsdruck auf Terroriste­n zu erhöhen. Justizmini­ster Jeff Sessions machte gestern deutlich, dass die USA gewillt sind, alle rechtlich verfügbare­n Schritte zu gehen, um die volle Härte des gesetzlich Machbaren gegen Terroriste­n auszuschöp­fen. „Wenn jemand daran irgendwelc­he Zweifel hat, dann kann er die über 500 Kriminelle­n fragen, die das Justizmini­sterium seit dem 11. September 2001 verurteilt hat, und er kann die mehrere Dutzend feindliche­n Kämpfer fragen, die in Guantánamo Bay sitzen“, sagte Sessions.

Der republikan­ische Senator Lindsey Graham warf Trump sogar vor, zu schwach reagiert zu haben. Der Attentäter von New York hätte zunächst bis zu 30 Tage ohne Anwalt verhört werden müssen, um wichtige Informatio­nen zum Islamische­n Staat aus ihm herauszupr­essen. Trump habe einen „riesigen Fehler“begangen, diese Chance verziehen zu lassen. Ihm ging es um Informatio­nen. Trump ging es wohl nur um Bestrafung – und um den Applaus seiner Anhängersc­haft.

„Gottseidan­k hat das Justizmini­sterium, wie auch das Pentagon, gelernt, Trump zu ignorieren“, schrieb die „Washington-Post“-Kommentato­rin Jennifer Rubin. Die Justiz in New York schreitet mit dem Verfahren gegen den mutmaßlich­en Terroriste­n längst in geordneter Form voran.

Trump forderte die Todesstraf­e, wohl auch,

um die große Haudrauf-Fraktion in seiner Wählerscha­ft

zu erfreuen.

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FOTO: MCNAMEE/AFP Trump begab sich wieder einmal auf vermintes Gebiet: Erst wünschte er den mutmaßlich­en Attentäter von New York nach Guantánamo, dann forderte er die Todesstraf­e. Juristen fühlten sich bemüßigt, den Präsidente­n an die Gewaltente­ilung zu erinnern.

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