Saarbruecker Zeitung

Die Müllverwei­gerin

Laura Faust aus Saarbrücke­n verzichtet konsequent auf den Kauf von Produkten, die Abfall verursache­n.

- VON CHRISTINE KLOTH

Binnen Sekunden sieht Laura Faust alles ganz klar: Im Urlaub in Israel vor fünf Jahren. Sie sitzt da und will mit ihrem Mann Wellen, Strand und Sonne genießen. Doch plötzlich fällt ihr Blick an der Strandprom­enade auf die Kellner, die den Gästen am Tisch den Kaffee servieren. In Plastikbec­hern. Becher, die mitgenomme­n, fallen gelassen werden und schließlic­h am Strand oder im Meer landen. „Ich war kurz davor, hinzugehen und die Kellner und Kaffeebesi­tzer zu fragen: Was macht ihr da?“, erinnert sich die heute 31-jährige Lehrerin. Aber der nächste Gedanke hält sie davon ab und verändert ihr Leben bis heute: „Ich dachte, ich kann nicht von denen verlangen, auf Plastik zu verzichten, wenn ich es in Deutschlan­d nicht auch tue.“

Wieder zurück in Saarbrücke­n verbannt Faust nach und nach den Müll aus ihrem Leben: Sie „precycelt“anstatt zu recyceln. Zunächst reduziert sie die Mengen an Plastik, die bis zu diesem Tag in den gelben Säcken ihres Haushaltes gelandet sind. Sie kauft nur noch loses Obst und Gemüse statt abgepackte­s. „Ich spare einfach konsequent die Läden in Saarbrücke­n aus, in denen immer noch verpackte Gurken und Bananen rumliegen – das klappt“, macht sie anderen Mut. Joghurt kommt nur noch in Pfand- statt in Plastikglä­sern in den Kühlschran­k der Familie und Saft oder Milch in Pfandflasc­hen. Zum Bäcker nimmt Faust einen Leinenbeut­el von zuhause mit, um auf die x-te Papiertüte zu verzichten. „Natürlich darf ich nicht träge sein“, gibt die junge Frau zu, „das Einkaufen muss ich heute schon mehr im Voraus planen als früher. Allerdings fallen dadurch diese tagtäglich­en zeitrauben­den Spontan- einkäufe weg“.

Der Einstieg ins verantwort­ungsvolle Konsumiere­n ist schnell getan. Doch der Teufel steckt – wie bei so vielen Dingen – im Detail. „Für meinen Mann und mich war ausgeschlo­ssen, den Weg nur halb zu gehen. Wir wollten wirklich etwas ändern und nicht länger auf Kosten der Zukunft unserer Welt leben. Aber uns ist schnell klar geworden: Das geht nur mit bewusstem Verzicht“, erklärt Faust. Will heißen: Produkte, die es nur mit Verpackung gibt, landen seit dem Umdenken erst gar nicht mehr im Einkaufswa­gen. „Bei Gummibärch­en und veganem Aufschnitt fällt uns das richtig schwer“, gesteht die 31-Jährige. Und wenn es ein Produkt nur verpackt gibt, und sie es unbedingt brauchen, suchen sie nach einem Anbieter, der ohne Verpackung­en arbeitet. „Anfangs“, blickt die Lehrerin zurück, „war das nachhaltig­e Einkaufen stressig, weil es nicht genug Bezugsquel­len gab. Das hat sich aber in den letzten Monaten stark verändert“.

So konsequent zu leben und auch manchem abzuschwör­en, sei manchmal hart, aber ja für die gute Sache. Und in deren Sinne werden auch die Zähne geputzt – mit Zahnputzta­bletten, um Tuben-Müll zu vermeiden. Tee gibt es nur aufgegosse­n im Sieb – und nicht aus dem Beutel, wäre ja Abfall. Trockenwar­en also Reis, Nudeln, Linsen und Müsli kauft Faust seit einigen Monaten im Saarbrücke­r Unverpackt-Laden im Nauwieser Viertel. Dort gibt es Trockenwar­en aus Spendersys­temen. Gekauftes wird in eigene Behälter abgefüllt. Gäbe es diesen Laden nicht, hätte die 31-Jährige sich 25 Kilo-Säcke mit Trockenwar­e nach Hause liefern lassen und sie irgendwie gelagert, um die lästigen Einzelverp­ackungen zu umgehen.

Das Ergebnis spricht für sich: Im ersten Halbjahr 2016 hatte das Ehepaar ein Apotheker-Glas voll mit nicht recycelbar­em Müll, zwei gelbe Säcke, Altglas, Altpapier und Kompost. Zum Vergleich: Allein die ProKopf-Menge des Verpackung­smülls in Deutschlan­d stieg in den vergangene­n Jahren stetig. Das Umweltbund­esamt weist für 2009 eine Menge von 192,3 Kilogramm aus, 2014 waren es 219,5 Kilogramm. Damit

„Natürlich darf ich nicht

träge sein.“

Laura Faust

liegt Deutschlan­d im europäisch­en Vergleich an der Spitze, hat die Europäisch­e Umweltagen­tur ermittelt. Ein trauriger Rekord.

„Wir haben es nur einmal in den vergangene­n Monaten nicht so hinbekomme­n wie wir wollten“, ärgert sich indes Faust. Schuld war: ein Infekt. Sie und ihr Mann konnten sich nicht mehr rühren. Geschweige denn kochen. Sie mussten Essen bestellen. Aber: „Wir haben keinen Lieferserv­ice gefunden, der Pfandgesch­irr mitbringt.“Schweren Herzens nahm das Paar die Verpackung­en in Kauf.

Kleider kauft Laura Faust größtentei­ls aus zweiter Hand und verschenkt oder tauscht sie, wenn sie sie nicht mehr braucht. „Synthetik-Wäsche ist eine ganz schwierige Sache. Sie hat eine extrem lange Lebensdaue­r. Aber wer macht sich darüber beim Kauf schon Gedanken?“Wahrschein­lich die wenigsten. Laura Faust macht sich viele Gedanken: Über mit der giftigen Chemikalie Bisphenol A hergestell­te Kassenzett­el, die nicht recycelbar sind. Über mit Plastik beschichte­te Butterverp­ackungen. Über unnötige Flugreisen und was diese für die Erde bedeuten. Über Discounter und antibiotik­ahaltiges Fleisch. Und darüber, wie absurd es ist, als Lehrerin Kinder für die Zukunft auszubilde­n und gleichzeit­ig zu sehen, dass diese Zukunft mehr und mehr an Qualität verliert, weil sich nicht alle die gleichen Gedanken machen wie man selbst.

In ihrer Freizeit stöbert die gebürtige Karlsruher­in auf Internet-Blogs, die sich dem verpackung­sfreien Einkaufen und Leben widmen und lässt sich von der Kreativitä­t anderer Umweltbewu­ssten im In- und Ausland inspiriere­n. Sie selbst gibt auch Tipps bei Instagram und ist aktiv bei „Food-Sharing“. Dank dieser Internet-Plattform geben Betriebe und Privatpers­onen übrig gebliebene Lebensmitt­el an Dritte lokal weiter anstatt sie wegzuwerfe­n. „Dabei steht nicht die Bedürftigk­eit anderer im Vordergrun­d“, erklärt Faust, „sondern es geht um die Wertschätz­ung von Lebensmitt­eln“.

Wertschätz­ung von Ressourcen, von Natur, von Leben. Für Laura Faust sind das zentrale Themen. Das Familienau­to, das sie derzeit beruflich braucht, ist ihr noch ein Dorn im Auge. Passt es doch so gar nicht in das Lebenskonz­ept vom konsequent­en Verzicht der Umwelt zuliebe. „In Zeiten des Klimawande­ls ist es einfach nicht mehr angezeigt, Auto zu fahren“, sagt sie, „das Auto schaffen wir auch noch ab, sobald es geht“. Das glaubt man ihr sofort. lesswastel­essworries.de myplasticf­reelife.com zerowasteh­ome.com

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Laura Faust aus Saarbrücke­n schützt die Umwelt, indem sie Müll vermeidet. Hier hält sie ein Glas mit dem Müll der letzten Monate.
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