Saarbruecker Zeitung

Wenn die Nerven brennen – Gruppe für Polyneurop­athie-Patienten

- VON ANDREAS ENGEL

NEUNKIRCHE­N Manfred E. (alle Namen sind der Redaktion bekannt) aus dem Landkreis Saarlouis war in jungen Jahren ein durchaus erfolgreic­her Sportler. Bis vor wenigen Jahren erwanderte der Rentner seine Heimat, reiste gern, fuhr weite Strecken mit dem Fahrrad. „Jetzt geht gar nichts mehr“, berichtet der 84-Jährige. An manchen Tagen tue ihm jeder Schritt weh. Ein Kribbeln und brennende Schmerzen in den Füßen quälen ihn. Nach einer Odyssee durch Arztpraxen und Krankenhäu­ser bekam er nun die ernüchtern­de Diagnose: Polyneurop­athie, kurz PNP. PNP ist eine äußerst unangenehm­e Erkrankung im Nervensyst­em, sie gilt als nicht heilbar.

Manfred E. ist einer von etwa 20 Betroffene­n, die sich der ersten und einzigen PNP-Selbsthilf­egruppe im Saarland angeschlos­sen haben. Die Gruppe gründete sich vor neun Jahren und trifft sich jeden dritten Donnerstag eines Monats im Komm-Zentrum in Neunkirche­n.

Medikament­e liegen auf dem Tisch, Fachlitera­tur wandert durch die Reihen, der Gesprächsb­edarf ist riesig. Die Betroffene­n aus allen Landesteil­en diskutiere­n über die Präparate, tauschen Informatio­nen aus. Was sie alle verbindet, ist die schiere Aussichtsl­osigkeit und die Gewissheit, dass Heilung zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich ist. „Ich bin in der Gruppe, weil ich mehr erfahren will. Ich habe alles ausprobier­t, war bei Ärzten und in Kuren, nichts hat geholfen“, sagt Alfred B. Aus Völklingen. Ewald T. hat Schmerzkli­niken besucht. Medikament­e könnten zwar die Schmerzen lindern, aber nur eine Zeit lang, sagt T. Er probiert es jetzt mittels mentaler Anwendunge­n wie zum Beispiel Hypnose. „Das hat schon Erfolge gezeigt.“Aber eine Lösung sei das nicht.

Vielfach fühlen sich die Betroffene­n Menschen auch von der Schulmediz­in alleine gelassen. Die Ärzte brächten nicht ausreichen­d Zeit für sie auf, ist zu hören. Es gibt aber auch durchaus hilfreiche Anlaufstel­len, berichtet der Sprecher der PNP-Selbsthilf­egruppe Saarland, Klaus Brückmann, aus Ottweiler. Die Neurologie­stationen an der Uni-Klinik Homburg und am Klinikum in Neunkirche­n gelten als kompetente Ansprechpa­rtner.

Die Ursachen für die Erkrankung sind vielfältig. Es können Hormonoder Stoffwechs­elstörunge­n sein, Gefäßerkra­nkungen oder Diabetes. Manche Fachleute sprechen von 300, andere von gar 500 Ursachen.

Die PNP-Selbsthilf­egruppe hat sich viele Aufgaben gestellt und liegt somit auf der Linie der Autorin Sigrid Nesterenko. Sie schreibt in ihrem Buch „So therapiere­n Sie PNP“: Es bedarf neben der schulmediz­inischen Behandlung idealerwei­se auch einer engagierte­n Eigeniniti­ative, um die Erkrankung möglicherw­eise langfristi­ger und somit erfolgreic­her zu behandeln. Es ist unerlässli­ch, tiefergehe­ndes Hintergrun­dwissen zur Erkrankung zu sammeln, um therapiebe­gleitend auch aktiv Selbsthilf­e durchzufüh­ren.“

Die PNP-Selbsthilf­egruppe Saarland sammelt folglich Informatio­nen, veranstalt­et Vorträge und hat sich dem Credo verschrieb­en: „Kein Arzt, Therapeut oder Angehörige­r kann bessere Tipps geben als ein Betroffene­r“. Unterstütz­t wird die Gruppe von der Stadt Neunkirche­n, die die Räume für die Gruppentre­ffen im Komm kostenlos zur Verfügung stellt. Träger der im Land einmaligen Gruppe ist die IKK.

Genaue Zahlen über die Häufigkeit der Erkrankung liegen nach Angaben von Brückmann weder im Saarland noch in Deutschlan­d vor. Experten gehen von drei Prozent aller Bundesdeut­schen aus, die unter PNP leiden. Ein anderes Problem benennt Brückmann. Viele Betroffene scheuten sich über ihre Krankheit zu reden. „Auch das wollen wir mit unserer Arbeit ändern.“

 ?? FOTO: ANDREAS ENGEL ?? Klaus Brückmann (sitzend), Sprecher der Polyneurop­athie-Selbsthilf­egruppe, die sich in Neunkirche­n trifft, mit einigen Betroffene­n.
FOTO: ANDREAS ENGEL Klaus Brückmann (sitzend), Sprecher der Polyneurop­athie-Selbsthilf­egruppe, die sich in Neunkirche­n trifft, mit einigen Betroffene­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany