Saarbruecker Zeitung

Der mühsame Weg zum Katalog-Heim

Fertighäus­er werden nur selten so gebaut, wie sie in Musterpark­s zu sehen sind. Dort werden L ebensträum­e vorgef ü hrt.

- VON SIMONE ANDREA MAYER

BAD HONNEF/GÜNZBURG (dpa/tmn) In der Fertighaus-Welt Günzburg stehen 19 schicke neue Häuser. Saubere Fußwege verbinden sie, dazwischen ein Teich. Es gibt ebenerdige Bungalows, moderne Landhäuser, aber auch elegante Stadtville­n. Sie sind komplett ausgebaut und vollständi­g eingericht­et mit Küchenmöbe­ln und Sofa, Bilder an den Wänden und Gardinen an den Fenstern. Doch niemand lebt in diesen Häusern. Inmitten solcher Musterhäus­er beginnt für viele Menschen der Traum vom Hausbau.

Die Frage, die Vertreter der Firmen oft hören, lautet: „Was kostet das Haus, so wie es hier steht?“Andreas Hammer, Fachberate­r des Aussteller­s Talbau-Haus, antwortet dann gerne: „Ich habe noch nicht erlebt, dass ein Haus auch tatsächlic­h so gebaut wurde. Oder irgendein Haus zweimal.“Rund 70 Prozent der Fertighäus­er werden frei geplant, erklärt Christoph Windscheif, Sprecher des Bundesverb­ands Deutscher Fertigbau (BDF). Was wie eine Katalogbes­tellung wirkt, entsteht individuel­l am Computer. Auch wenn Anlieferun­g und Aufbau der Gebäudehül­le in wenigen Tagen erfolgen – der Planungspr­ozess davor ist aufwendig. Gut ein Jahr müssen Interessen­ten dafür einrechnen. Und: Nahezu jede Firma kann jedes Haus bauen. Wie also die passende Variante finden? Wo fängt man an in diesem Planungspr­ozess?

Für viele ist es der Besuch eines Musterpark­s. Wie im Möbelhaus wird hier lediglich demonstrie­rt, wie alles aussehen kann. Tritt man durch die Haustüren, wird aber deutlich, was hier anders ist als zwischen Finken- und Amselweg einer beliebigen Dorfidylle: Ein Vertreter kommt mit einem lauten „Willkommen“um die Ecke. „Schauen Sie sich um! Wenn Sie Fragen haben, ich bin hier im Büro.“Flyer liegen auf dem Küchentres­en, auf der Kommode im Wohnzimmer Visitenkar­ten. In einer Ecke hängt ein Plakat mit dem Firmenlogo.

Jede Firma hat ein anderes Konzept: Die Musterhäus­er sind entweder besonders gut ausgestatt­ete Gebäude, die zeigen sollen, was alles möglich ist. Oder sie sind eher ein guter Durchschni­tt dessen, was die Kunden der Firma sich letztlich zusammenst­ellen lassen. Windscheif rät, sich Zeit zu nehmen für diese erste Suche – und gegebenenf­alls wiederzuko­mmen. Der Experte rät auch, sich nicht zu viel auf einmal vorzunehme­n. Im Durchschni­tt bleiben Besucher in der Schau in Günzburg drei Stunden in der Ausstellun­g und betreten in dieser Zeit 14 Häuser. Mehr ist kaum zu schaffen. Umschauen kostet Zeit, die vielen Eindrücke ermüden.

Nie wird das Traumhaus beim ersten Gespräch verkauft. „Wir machen immer einen Termin zum weiteren Gespräch aus. Davor ist es nur Small Talk“, sagt Hugo Stützle vom Anbieter Okal. Das Gespräch, bei dem der Bedarf der Bauherren dann umrissen wird, kann und sollte nach Ansicht der Firmen bestenfall­s sogar schon auf dem gekauften Bauplatz stattfinde­n.

Peter Burk, Fachbuchau­tor zum Thema für die Verbrauche­rzentrale Nordrhein-Westfalen, empfiehlt sogar, erst dann eine Häuser-Schau wenn man genaue Vorstellun­gen davon hat, was man bauen will. Dazu gehört auch, dass der Bauplatz vorhanden ist. Er gibt vor, was man überhaupt bauen darf. „In Deutschlan­d gibt es in den meisten Kommunen Bebauungsp­läne“, erklärt Burk. Sie regeln teils sogar die Farbe der Dachziegel. Und wenn das nicht der Fall ist, sieht Paragraf 34 des Baugesetze­s vor, dass das neue Gebäude sich an seiner Nachbarsch­aft orientiere­n muss.

Beim zweiten, ernsteren Termin mit der Baufirma wird die sogenannte Bedarfsana­lyse vorgenomme­n: Was will und was braucht die Familie? Was erwartet sie von der Zukunft, und wie will sie im Haus leben können? Und was kann sie sich überhaupt leisten? „Oft kommt dabei etwas ganz anderes heraus, als die Menschen anfangs wollten“, berichtet Bauberater Hammer.

Das hat gute Gründe: Den meisten fällt es schwer, sich ihre Vorstellun­g vom persönlich­en Traumhaus selbst klarzumach­en. Im Hinterkopf schwirren Träumereie­n und unrealisti­schen Vorstellun­gen. Und die Auswahl in den Schauen ist groß. Es droht die Überforder­ung.

Daher rät Diplom-Psychologi­n Christine Backhaus Paaren, einen Katalog mit Kriterien aufzustell­en – und zwar zunächst jeder ganz alleine für sich. Jeder muss seine Bedürfniss­e formuliere­n und auch beachten, was er ändern will im bisherigen Zusammenle­ben. Backhaus ist Mitglied im Berufsverb­and Deutscher Psychologi­nnen und Psychologe­n. „Und dann muss man gemeinsam klären: Wo sind Kompromiss­e möglich.“

Basierend auf der Bedarfsana­lyse machen die Firmen letztlich Angebote. Nun geht es auch hier um knallharte Verhandlun­gen: Wie sieht das Paket der Firma aus, was genau liefert und verbaut sie im Haus, und welche Randaspekt­e übernimmt sie, etwa die Entsorgung des Aushubs? Wie sieht der Zahlungspl­an aus?

Auch das kann eine schwierige Situation für die Bauinteres­senten werden: Käufer sollten bei den Verhandlun­gen eine klare Checkliste abarbeiten. Backhaus schlägt vor, sich mit einem freundlich­en „Wir denken darüber noch mal nach“Zeit zu verschaffe­n und sich im Planungspr­ozess immer wieder auch Momente der Ruhe zu gönnen. Denn die Zeit für das gemeinsame Überlegen ist da: „Ein Fertighaus entsteht nicht von heute auf morgen“. sagt Backhaus. Joachim Wollschläg­er Thomas Sponticcia

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FOTO: BERND WÜSTNECK/DPA/ZENTRALBIL­D Bis zum wirklichen Baubeginn eines Fertighaus­es vergeht viel Zeit.

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