Saarbruecker Zeitung

Keine Klarheit über Pflanzengi­ft Glyphosat

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Die EU-Länder haben sich gestern erneut nicht über eine weitere Zulassung des Pflanzengi­fts Glyphosat einigen können. Mitte Dezember läuft die Genehmigun­g aus. Die EU-Kommission hat eine Verlängeru­ng vorgeschla­gen.

Wie lange soll das Pflanzengi­ft Glyphosat noch eingesetzt werden? Auch gestern konnten die EU-Länder sich nicht auf eine Verlängeru­ng der Zulassung einigen. Nun muss die EU-Kommission entscheide­n, ob Glyphosat noch weitere fünf bis sieben Jahre eingesetzt werden darf. Mitte Dezember läuft die bisherige Genehmigun­g aus.

Im Streit um das Gift aus dem Hause Monsanto stehen ExtremPosi­tionen gegenüber. Hier die Befürworte­r, die in Glyphosat nur den hocheffizi­enten Unkrautver­nichter sehen, der Bauern das Leben leichter macht, dort die Gegner, für die Glyphosat ein extrem gesundheit­sgefährden­des Gift ist.

Ersteres ist unstrittig. Bauern, die ihre Äcker mit Glyphosat unkrautfre­i spritzen, brauchen nicht zu pflügen – ebenfalls ein umstritten­er Eingriff in die Natur – und können sofort mit der nächsten Aussaat beginnen. Bei der Frage der Gesundheit­sgefährdun­g gibt es höchst unterschie­dliche Einschätzu­ngen. Während die Internatio­nale Krebsforsc­hungsagent­ur IARC, eine Tochter der Weltgesund­heitsagent­ur WHO, das Mittel als „wahrschein­lich krebserreg­end“einstuft, geht das Bundesinst­itut für Risikobewe­rtung davon aus, das Glyphosat wahrschein­lich nicht krebserreg­end ist. Und auch die Europäisch­e Lebensmitt­elbehörde hat dem Pflanzengi­ft einen Gesundheit­sfreibrief erteilt. Allerdings stützen sich alle Institute auch auf wissenscha­ftliche Arbeiten, die teilweise von Monsanto finanziert wurden. Eine Studie des Bundes Naturschut­z vor vier Jahren hatte Glyphosat bei 70 Prozent der Testperson­en im Urin nachgewies­en. Auch wenn es nicht krebserreg­end ist – offen ist, welche Wirkungen es auf den sensiblen Hormonhaus­halt des Menschen hat.

Letztlich geht es darum, die Diskussion auf eine gesellscha­ftliche Ebene zu heben: Wie viel Gift wollen wir als Gesellscha­ft noch auf unseren Äckern, in unseren Gärten, in unserem Essen tolerieren. Und welche Risiken wollen wir eingehen. Der Saarländis­che Umweltmini­ster Reinhold Jost (SPD) hat für Glyphosat die Devise ausgegeben: So viel wie nötig, so wenig wie möglich. Aber wie viel ist wirklich nötig? Öko-Bauern zeigen, dass auch ein Totalverzi­cht möglich ist. Gerade das Saarland ist hier Vorreiter: 15 Prozent der Flächen werden ökologisch bearbeitet. Und im Berchtesga­dener Land hat eine Genossensc­haft von 1800 Betrieben beschlosse­n, auf das Gift zugunsten der Natur zu verzichten.

Möglich ist dieser Verzicht – unter der Bedingung dass die Bürger dann auch bereit sind, mehr für ihre Lebensmitt­el auszugeben. Denn die Bauern arbeiten am Rande der Wirtschaft­lichkeit. Und Glyphosat spart Kosten.

Es ist aber auch eine Frage über die Zukunft unserer Natur: Schließlic­h vernichtet das Gift nicht nur Unkraut, sondern auch viele sensible Ackerkräut­er wie Kornblume und Mohn. Und damit für Insekten wichtige Blühpflanz­en. Erst kürzlich hat eine Studie mit dem Ergebnis aufgeschre­ckt, dass die Zahl der Insekten in 30 Jahren über 75 Prozent zurückgega­ngen ist. Auch wegen des Einsatzes von Insektengi­ften. Das zeigt: Die Debatte darf bei Glyphosat nicht aufhören.

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