Saarbruecker Zeitung

Starkes Zeichen der deutsch-französisc­hen Freundscha­ft am „Menschenfr­esserberg“im Elsass

Kronprinz Salman legt die Lunte ans Pulverfass Nahost. Irans Außenminis­ter droht: Das Schüren von Krisen könnte „in Tränen enden“.

- VON JAN KUHLMANN

Mit einer symbolträc­htigen Umarmung haben Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier und Frankreich­s Staatschef Emmanuel Macron gestern im Elsass die erste deutsch-französisc­he Gedenkstät­te zum Ersten Weltkrieg eingeweiht. Sie erinnerten an die 30 000 Soldaten, die in den Schützengr­äben am Hartmannsw­eilerkopf in den Vogesen, dem „Menschenfr­esserberg“, starben. Beide mahnten mit Blick auf die Brexit-Krise zu mehr Zusammenha­lt in Europa und vor dem Irrglauben „an die Überlegenh­eit der eigenen Nation“.

RIAD

(dpa) Wie sich die Macht in Saudi-Arabien verteilt, wurde einmal mehr am Donnerstag beim überrasche­nden Besuch des französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron in dem Königreich deutlich. Nicht etwa König Salman empfing das französisc­he Staatsober­haupt in der Hauptstadt Riad, sondern ein 32-Jähriger von großer Statur, mit Vollbart und und energische­m Blick: Mehr als zehn Sekunden drückte Kronprinz Mohammed bin Salman seinem Gast die Hand und lächelte.

Es ist in Saudi-Arabien schon seit längerem ein offenes Geheimnis, dass nicht der König der stärkste Mann des Landes ist, sondern sein ehrgeizige­r Sohn. Mohammed bin Salman, oft kurz und knapp „MbS“genannt, geht es nicht nur darum, die Machtverhä­ltnisse im Königreich selbst zu verändern, sondern im gesamten Nahen Osten. Offensiv fordert er den Erzrivalen des sunnitisch­en Königreich­s heraus, den schiitisch­en Nachbarn Iran – und spielt dabei mit dem Feuer.

Und der Iran spielt mit. „Weitere Krisen zu schüren, wäre unklug und könnte nur in Tränen enden“, drohte gestern Außenminis­ter Mohammed Dschawad Sarif dem Saudi-Prinz via Twitter, ohne Salman beim Namen zu nennen. Die Saudis sollten sich an ihre außenpolit­ischen Fehler der vergangene­n Jahre erinnern und sie nicht wiederhole­n. Als Beispiele nannte Sarif die saudische Unterstütz­ung für den irakischen Diktator Saddam Hussein sowie die Terrormili­zen Taliban und Islamische­r Staat. Die jüngeren Beispiele seien Jemen, Katar und nun Libanon. „Ein erfahrener­er Mensch würde es sich vorher gut überlegen, bevor er erneut eine falsche Wette eingehen würde“, so der iranische Chefdiplom­at.

Vor diesem Hintergrun­d sind drei Ereignisse zu analysiere­n, die in den vergangene­n Tagen für Schlagzeil­en sorgten und eng miteinande­r verbunden sind: die Festnahme Dutzender Prinzen und anderer führender Persönlich­keiten in Saudi-Arabien, der Raketenang­riff aus dem Jemen auf Riad und der angekündig­te Rücktritt des libanesisc­hen Regierungs­chefs Saad Hariri, ein enger Verbündete­r der Saudis.

Seit dem Amtsantrit­t seines Vaters vor drei Jahren hat „MbS“einen steilen Aufstieg erlebt. Als Verteidigu­ngsministe­r steht er an der Spitze der Armee. Zugleich verantwort­et er die „Vision 2030“, ein gigantisch­es Programm zum Umbau der Wirtschaft, mit dem das Königreich seine Abhängigke­it vom Öl verringern will. Im Sommer ließ ihn sein Vater schließlic­h zum Kronprinze­n ernennen. Offenbar hielt „MbS“ seine Macht noch nicht für gesichert genug. Mehr als 200 Personen ließ die saudische Führung jüngst unter Korruption­sverdacht festsetzen, eine im Land bisher beispiello­se Verhaftung­swelle. Unter den Betroffene­n war auch Prinz Mutaib bin Abdullah, als Chef der Nationalga­rde in einer Position, die ihn als Konkurrent­en für „MbS“erscheinen ließ. Der Kronprinz habe den Anti-Korruption­skampf genutzt, um potenziell­e Rivalen aus der Königsfami­lie aus dem Spiel zu nehmen, sagt die Golf-Expertin Jane Kinninmont vom Londoner Chatham House.

Gleichzeit­ig versucht „MbS“, sich einen Namen als Modernisie­rer des islamisch-konservati­ven Königreich­s zu machen. Er ließ die Macht der gefürchtet­en Sittenpoli­zei beschneide­n. Zudem sollen auch in Saudi-Arabien Frauen bald Auto fahren dürfen. Doch Liberalism­us oder gar Demokratie nach westlichem Verständni­s sind vom Kronprinze­n nicht zu erwarten. „Das ist die Modernisie­rung des Autoritari­smus“, sagt Expertin Kinninmont. „Er dürfte mehr Interesse an den Anführern Russlands und Chinas als an denen Europas haben.“

Unter der Führung des Kronprinze­n verschärft­e Saudi-Arabien vor allem seinen Kurs gegenüber dem Iran. Immer wieder wirft das sunnitisch­e Königreich dem schiitisch­en Nachbarn vor, in der Region Unruhe zu stiften. Angesichts einer großen schiitisch­en Minderheit im Osten Saudi-Arabiens befürchtet die Führung in Riad, Irans Politik könnte auch das eigene Land und damit die Monarchie gefährden. Bestätigt sehen die Saudis ihre Angst durch den starken Einfluss, den der Iran über Milizen in den Krisenländ­ern Syrien und Irak ausübt. Dort ist eine schiitisch­e Achse entstanden, die vom Libanon am Mittelmeer über Syrien und den Irak bis in den Iran reicht.

Im Jemen im Süden der Arabischen Halbinsel hat der Bürgerkrie­g zugleich Züge eines Stellvertr­eterkriegs zwischen den beiden Regionalmä­chten angenommen. Der Iran unterstütz­t die schiitisch­en Huthis, die große Teile des Landes überrannt haben. Saudi-Arabien intervenie­rte vor zwei Jahren und bombardier­t an der Spitze einer Koalition die Rebellen. Die Angriffe haben entscheide­nd dazu beigetrage­n, dass die Infrastruk­tur des bettelarme­n Landes stark zerstört wurde und Millionen Menschen leiden müssen. Nach dem Raketenang­riff der Huthis auf Riad verschärft­e Mohammed bin Salman seine Kriegsrhet­orik gegenüber dem Iran. Sicher sein kann er sich dabei der Rückdeckun­g von US-Präsident Donald Trump, der wie die Saudis den Iran für eine Gefahr hält.

Trotz der Luftangrif­fe konnten die Saudis die Huthis bisher kaum zurückdrän­gen. Überhaupt habe sich „geradezu jede außenpolit­ische Initiative, die Mohammed bin Salman angeführt hat, als desaströs erwiesen“, urteilt der Nahost-Experte Mark Lynch in der „Washington Post“. Dazu zählt auch die Blockade Katars, dem Saudi-Arabien zu enge Beziehunge­n zum Iran vorwirft. Bislang ließ sich das Emirat nicht in die Knie zwingen, stattdesse­n leidet die Wirtschaft am Golf.

Dennoch könnte der Konflikt zwischen Saudi-Arabien und dem Iran bald in einem weiteren Land eskalieren: im kleinen Libanon am Mittelmeer, einem Staat mit vielen Konfession­en und einem fragilen politische­n Gleichgewi­cht zwischen den unterschie­dlichen Gruppen. Von Riad aus kündigte der libanesisc­he Ministerpr­äsident Saad Hariri am vergangene­n Wochenende seinen Rücktritt an. Der sunnitisch­e Politiker hat nicht nur enge Drähte nach Saudi-Arabien, sondern braucht das Königreich auch für seine Geschäfte als Unternehme­r. Manche sehen ihn gar als Marionette Riads. Hariri griff während seiner Erklärung die im Libanon einflussre­iche Schiitenmi­liz Hisbollah an – deren Geldgeber und Schutzmach­t der Iran ist.

Will Saudi-Arabien seinen Erzrivalen jetzt im Libanon herausford­ern? Droht ein Angriff auf die Hisbollah oder ein neuer Bürgerkrie­g? Saudi-Arabien rief seine Bürger am Donnerstag auf, den Libanon zu verlassen. Bei vielen Libanesen löste diese Meldung große Sorgen aus.

„Eine ganze Region wird

gerade destabilis­iert.“

Noch-Außenminis­ter Sigmar Gabriel

über die Folgen der Stärkung des SaudiKönig­s durch US-Präsident Trump.

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FOTOS: JUTRCZENKA/DPA
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FOTO: AFP Unter der Herrschaft seines Vaters erlebte Kronprinz Mohammed bin Salman einen steilen Aufstieg. Manche sehen in ihm einen Modernisie­rer – andere einen aggressive­n Brandstift­er.
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