Saarbruecker Zeitung

Kinderärzt­e im Saarland sehen sich „am Limit“

Überfüllte Praxen, genervte Eltern: Viele Mediziner fühlen sich von der Politik im Stich gelassen.

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SAARBRÜCKE­N (pbe/kna) Die Kinderärzt­e im Saarland schlagen Alarm: Durch den Babyboom der vergangene­n Jahre seien viele Praxen überlastet. „Wir sind am Limit“, sagt Benedikt Brixius vom Berufsverb­and der Kinder- und Jugendärzt­e (BVKJ) im Saarland. Genau wie der Bundesverb­and vor wenigen Tagen fordern jetzt auch die Saarländer dringend mehr Mediziner-Nachwuchs. Schon heute könnten viele Praxen nur noch mit Assistenzä­rzten ihren Praxis-Alltag „halbwegs“aufrechter­halten. „Irgendwann müssen wir wohl Patienten ablehnen“, warnt Brixius.

Schuld an der angespannt­en Lage sei das „starre Beharren auf der Bedarfspla­nung von 1992“. Damals gingen die Forscher jedoch von einer stetig fallenden Geburtenra­te für die Republik aus. „Mit der Realität hat das nichts mehr zu tun“, sagt Brixius. Der Bedarfspla­n regelt beispielsw­eise, ob freie Stellen wiederbese­tzt werden dürfen – und hat somit auch Einfluss auf die Studienplä­tze. Zudem sind nach Ansicht des Mediziners weitere aktuelle Entwicklun­gen von der Politik falsch eingeschät­zt worden – etwa die steigende Zahl von Vorsorge-Untersuchu­ngen, die die Ärzte befürworte­n, die Zunahme von Fettleibig­keit und ADHS oder die Tatsache, dass junge Ärzte stärker in Teilzeit arbeiten wollen.

Deutschlan­dweit wird sich das Problem nach Ansicht von BVKJPräsid­ent Thomas Fischbach in den kommenden Jahren noch weiter verschärfe­n, da ein Viertel aller Kinderund Jugendärzt­e in Rente gehen werde. „Es wird höchste Zeit, dass die Politik handelt. Unsere Wartezimme­r sind überfüllt, der Unmut der Eltern wächst“, erklärte Fischbach. Er und sein Verbandsko­llege aus dem Saarland fordern deshalb, den veralteten Bedarfspla­n an die Wirklichke­it anzupassen und mehr Flexibilit­ät walten zu lassen. Auch müssten mehr junge Mediziner ausgebilde­t und Weiterbild­ungen gefördert werden. Zudem brauche es mehr Freiheiten, Ärzte anzustelle­n und Mehrarbeit vergüten zu können.

Laut BVKJ wurden 2016 in Deutschlan­d fast 777 000 Kinder geboren. Das waren 6,3 Prozent mehr als 2015 und 18,7 Prozent mehr als fünf Jahre zuvor. Im Saarland kamen 2015 mehr als 7500 Kinder zur Welt, die höchste Zahl seit 2004.

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FOTO: BRIXIUS Dr. Benedikt Brixius, Sprecher der Kinderund Jugendärzt­e im Saarland.

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