Saarbruecker Zeitung

Kriegsgede­nken mahnt auch zum Aufbruch in Europa

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Nur wer zurückscha­ut, kann die Zukunft gestalten. So lautet die Botschaft, die Frank-Walter Steinmeier und Emmanuel Macron am Freitag aussandten. Die Zukunft heißt für die beiden Präsidente­n Europa. Ein Thema, das Macron in den Mittelpunk­t seiner Präsidents­chaft gestellt hat. Und für das er von Steinmeier erstmals offene Unterstütz­ung bekam. Überrasche­nd deutlich forderte der Bundespräs­ident die Bundesregi­erung auf, den französisc­hen Staatschef bei seinem Projekt nicht allein zu lassen. Steinmeier tut gut daran, die künftigen Koalitionä­re in die Pflicht zu nehmen. Denn nach der mutigen Rede an der Pariser Universitä­t Sorbonne darf Macrons Initiative nicht einsam verpuffen.

Klar, die Koalitions­verhandlun­gen sind noch nicht abgeschlos­sen. Das hindert Angela Merkel aber nicht daran, eine grundsätzl­iche Bereitscha­ft zu EU-Reformen zu signalisie­ren. Die vom französisc­hen Präsidente­n geforderte Neugründun­g Europas ist nämlich alternativ­los. Entweder die EU erfindet sich neu, oder sie zerfällt in ihre Einzelstaa­ten. Großbritan­nien hat den Austritt aus der Gemeinscha­ft bereits angekündig­t und in Osteuropa könnten mit Tschechien oder Polen weitere Länder folgen. Der Blick auf das Schlachtfe­ld am Hartmannsw­eilerkopf zeigt, was Nationalis­mus anrichten kann. Er zeigt auch, dass Deutschlan­d und Frankreich bei der Gestaltung der europäisch­en Zukunft eine besondere Aufgabe haben.

Weit weg vom elsässisch­en Weltkriegs­gedenkens trafen sich auf der anderen Seite der Erdkugel am Freitag die APEC-Staaten. Donald Trump war ebenso gekommen wie Wladimir Putin und Xi Jinping. Der dynamische asiatisch-pazifische Raum zeigt mit seinem Gipfel dem alten Europa, dass es zu einer Randfigur zu verkommen droht. Vor allem, wenn es nicht endlich mit einer Stimme spricht und eine gemeinsame Linie verfolgt. Nur zusammen können die EU-Staaten sich gegen globale Herausford­erungen wie den Klimawande­l behaupten. Nur gemeinsam können sie Trump, Putin oder Xi die Stirn bieten. Macron hat das hellsichti­g zum Leitmotiv seiner Außenpolit­ik gemacht. Der junge Präsident bietet sich für die EU als Führungsfi­gur an. Dazu legitimier­t ihn sein proeuropäi­scher Wahlkampf ebenso wie seine unerschroc­kene Auseinande­rsetzung mit der Rechtspopu­listin Marine Le Pen. Doch der 39-Jährige kann die Führungsro­lle nicht allein ausfüllen. Für sein ehrgeizige­s Projekt braucht er Angela Merkel. Und auch wenn der Bundeskanz­lerin Jamaika momentan näher ist als Brüssel, muss sie doch schnell handeln. Denn das Zeitfenste­r ist klein.

Ein Aufbruch kann nur im nächsten Jahr gelingen. 2019 wird nämlich ein neues Europaparl­ament gewählt. Und dann wird sich zeigen, ob Emmanuel Macrons Verjüngung­skur für den alten Kontinent erfolgreic­h war. Am Ergebnis der rechtspopu­listischen Parteien kann man dann ablesen, ob Europa noch eine Zukunft hat oder schon Vergangenh­eit geworden ist.

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