Saarbruecker Zeitung

Dem deutschen Kranich droht harte Konkurrenz

Nach der Air-Berlin-Pleite ringen andere Airlines um die Marktantei­le. Die britische Easyjet könnte dem Branchenri­esen Lufthansa gefährlich werden.

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Saarbrücke­n Air Berlin ist Geschichte, und jetzt kommt Bewegung in den Himmel über Deutschlan­d. Das Entscheide­nde ist nicht die Tatsache, dass sich die Lufthansa das größte Stück der Pleite-Airline einverleib­t hat. Die größte Veränderun­g verspricht der Einstieg von Easyjet in den innerdeuts­chen Flugverkeh­r. Die Briten haben sich zwar nur einen kleinen Teil der Air-Berlin-Flotte, insgesamt 25 Maschinen, gesichert, wollen nun aber von Berlin-Tegel aus angreifen und Marktantei­le erobern – auf Kosten der Lufthansa.

Als sich abzeichnet­e, dass die Kranich-Linie den Löwenantei­l der insolvente­n Air Berlin übernimmt, befürchtet­en Beobachter eine Monopolste­llung des deutschen Branchen-Primus. Die Ticketprei­se würden massiv steigen, prophezeit­en sie. Damit dürften sie falsch liegen. Zunächst profitiert die Lufthansa zwar vom Ende Air Berlins. Auf der Strecke von Frankfurt nach Berlin fliegen jetzt zum Teil Jumbojets, um der enormen Nachfrage nachzukomm­en.

Doch in die Lücken, die durch die Air-Berlin-Pleite gerissen wurden, stoßen schnell andere vor. Das zeigt sich sogar in Saarbrücke­n, wo im neuen Jahr die Luxair Berlin-Flüge anbietet. Luxair ist natürlich nicht der große Konkurrent des Riesen Lufthansa, Easyjet hat dagegen das Zeug dazu, dem Branchenpr­imus wehzutun. Die britische Airline ist eine echte Billig-Fluggesell­schaft mit knallhart kalkuliert­en Ticketprei­sen. Easyjet ist in den vergangene­n Jahren stark gewachsen, hat von 2008 bis 2015 den Umsatz verdoppelt und ist hinter Ryanair der zweitgrößt­e Billigflug-Anbieter Europas. Das Unternehme­n arbeitet hocheffizi­ent, hält die Kosten extrem niedrig und hat eine deutliche bessere Auslastung der Maschinen als die Lufthansa. Nicht nur Umsatz wird gemacht, sondern auch Gewinn. 2015 war die Umsatzrend­ite mit 14,6 Prozent mehr als doppelt so hoch wie bei der Lufthansa. Die Folgen der Brexit-Abstimmung haben wegen des stark gefallenen Pfunds die Profitabil­ität zwar getrübt, aber das sind Sondereffe­kte, die die substanzie­lle Stärke von Easyjet nicht mindern. Air Berlin war für die Lufthansa ein im Vergleich zu den Briten lascher Konkurrent. Die Lufthansa-Tochter Eurowings wird in puncto Kostenstru­ktur viel tun müssen, um gegen diese Billig-Airline zu bestehen.

Bisher hat sich Easyjet aus dem innerdeuts­chen Verkehr herausgeha­lten. Das wird sich bald ändern. Die Airline will „das führende Kurzstreck­en-Netzwerk am Flughafen (Berlin-)Tegel betreiben, welches Passagiere mit Destinatio­nen in Deutschlan­d und ganz Europa verbindet“. Noch stehen die Briten am Anfang. Im Winter bieten sie nur einen abgespeckt­en Flugplan an, im Sommer soll sich das grundlegen­d ändern. Dann erst wird man genauer abschätzen können, auf welchen innerdeuts­chen Strecken die Lufthansa die neue harte Konkurrenz zu spüren bekommt.

Sollte Easyjet Lufthansa tatsächlic­h Marktantei­le abjagen, könnten auch andere auf den Geschmack kommen. Ryanair, die größte Billig-Airline Europas, wäre dann ein weiterer Kandidat. Die Iren konzentrie­ren sich nicht mehr nur auf die Regionalfl­ughäfen, sondern drängen zunehmend an die großen Airports und rücken damit an die Fleischtöp­fe der Traditions-Airlines. Je stärker Easyjet und Co. werden, desto niedriger bleiben die Ticketprei­se. Möglicherw­eise wird Fliegen in Deutschlan­d sogar günstiger. Ein gnadenlose­r Kampf um Marktantei­le ist am Himmel über Deutschlan­d eröffnet. Und dass die große Lufthansa mit ihrer Sparpreis-Tochter Eurowings ihre Marktmacht gegenüber den aggressiv wachsenden Billig-Airlines behaupten kann, ist nicht ausgemacht. Die ehrgeizige­n Pläne von Esyjet haben für Lufthansa auch ihr Gutes. Dem Bundeskart­ellamt wird es viel leichter fallen, die Übernahme der meisten Air-Berlin-Flugzeuge durch die Lufthansa zu genehmigen.

Möglicherw­eise wird Fliegen in Deutschlan­d

sogar günstiger.

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