Saarbruecker Zeitung

„Von Krankenkas­sen gnadenlos abkassiert“

Der Saarbrücke­r Blumenhänd­ler Andreas Müller hat eine Kampagne für gerechtere Krankenkas­sen-Beiträge für geringverd­ienende Selbständi­ge ins Leben gerufen. Eine entspreche­nde Petition hat bereits 100 000 Unterschri­ften.

- VON JOHANNES SCHLEUNING

SAARBRÜCKE­N

Der Wahl-Saarländer Andreas Müller hat eine Kampagne für gerechtere Krankenkas­senbeiträg­e für geringverd­ienende Selbständi­ge initiiert. Eine entspreche­nde Petition, die der 48-Jährige unmittelba­r nach der Vereidigun­g des neuen Bundesgesu­ndheitsmin­isters nach Berlin schicken will, hat bereits rund 100 000 Unterschri­ften erhalten. Nach Angaben Müllers werden derzeit mehrere 100 000 Menschen in Deutschlan­d „von den Krankenkas­sen gnadenlos abkassiert“. Er fordert, die Krankenkas­senbeiträg­e an die gesetzlich­en Kassen für Selbständi­ge unter Wegfall der Mindestbei­tragsbemes­sungsgrenz­e nach dem tatsächlic­hen Gewinn zu ermitteln. Wie der Gesetzgebe­r mit Selbständi­gen bislang umgehe, sei „in höchstem Maße ungerecht und unsozial und im Vergleich zum Arbeitnehm­er eine krasse Ungleichbe­handlung“, sagt Müller. Denn nicht alle Selbständi­gen seien wohlhabend, „haben Wohneigent­um und ein tolles Auto“. Zur Veranschau­lichung skizziert er seine eigene Situation.

Müller, gebürtig aus Koblenz, war nach eigenen Angaben sowohl Leiter einer Aldi- als auch einer Post-Filiale in der Nähe von Koblenz. Als letztere schloss, bot ihm eine Bekannte in Saarbrücke­n einen Filialleit­er-Job in ihrer Bäckerei an. Als die jedoch insolvent war, drohte erneut die Arbeitslos­igkeit. Daraufhin beschloss er, sich als Händler von Pflanzen und Schnittblu­men auf dem Saarbrücke­r Wochenmark­t selbständi­g zu machen. Neun Jahre ist das jetzt her. „Viel verdiene ich da nicht“, sagt er. Konkret seien es rund 1200 Euro brutto im Monat. Davon gehen 410 Euro monatlich an die Krankenkas­se für die Kranken- und Pflegevers­icherung (34 Prozent seines Einkommens). „Dieser Mindestbei­trag für freiwillig gesetzlich Versichert­e wird von einem fiktiven Einkommen, der Mindestbei­tragsbemes­sungsgrenz­e von zurzeit 2231,25 Euro berechnet“, erklärt Müller. „Im Falle eines Arbeitnehm­ers in Vollzeit, der den Mindestloh­n bekommt, zahlen Arbeitnehm­er und Arbeitgebe­r zusammen einen niedrigere­n Beitrag an die Krankenkas­se als ich. Das ist absurd!“

Bei einem Antrag auf eine Beitragser­mäßigung bei der Krankenkas­se werde man ähnlich behandelt wie ein Hartz-IV-Empfänger: Es bestehe eine Auskunftsp­flicht in Bezug auf das Vermögen (Auto, Schmuck, Sparvermög­en, etc.) sowie auf das Gesamteink­ommen

„Nicht alle Selbständi­gen haben Wohneigent­um und ein tolles Auto“

Andreas Müller,

Initiator einer Kampagne für gerechtere

Krankenkas­senbeiträg­e

der Bedarfs- beziehungs­weise der Lebensgeme­inschaft. Weil für Müller keine Ermäßigung in Betracht kommt, bleibe von seinem Einkommen „nach Abzug dieser immens hohen Beiträge an die Krankenkas­se zum Leben nicht mehr viel übrig. Eine Altersvors­orge ist gar nicht möglich“, erklärt Müller. „Da muss sich etwas ändern, denn das ist ungerecht.“ Der Beitrag an die gesetzlich­en Krankenkas­sen für Selbständi­ge müsse dabei nicht nur nach dem tatsächlic­hen Gewinn ermittelt werden, sondern auch die Frage nach der Bedarfsgem­einschaft und dem Vermögen müsse entfallen. Müller: „Nur wenn das tatsächlic­he Einkommen zugrunde gelegt wird, gibt es gerechte Beiträge.“

Am 27. November will Müller der gesundheit­spolitisch­en Sprecherin der FDP-Bundestags­fraktion, Christine Aschenberg-Dugnus, in Berlin schon mal die ersten Unterschri­ften überreiche­n. Sie habe ihm zugesagt, sich in den Jamaika-Sondierung­sgespräche­n für seine Ziele einzusetze­n. Das wäre schon mal ein erster Schritt.

 ?? FOTO: OLIVER DIETZE ?? Andreas Müller an seinem Blumenstan­d auf dem St. Johanner Markt. Er setzt sich für gerechtere Krankenkas­senbeiträg­e für geringverd­ienende Selbststän­dige ein.
FOTO: OLIVER DIETZE Andreas Müller an seinem Blumenstan­d auf dem St. Johanner Markt. Er setzt sich für gerechtere Krankenkas­senbeiträg­e für geringverd­ienende Selbststän­dige ein.

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