Saarbruecker Zeitung

GEWINNZAHL­EN

Die Gletscher schmelzen – und ein peruanisch­er Bauer macht dafür vor allem den Kohlekonze­rn RWE verantwort­lich. Heute geht seine Klage in die zweite Instanz. Die Erfolgsaus­sichten? Eher bescheiden.

- VON RODRIGO RUIZ TOVAR UND ROLF SCHRAA

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(ohne Gewähr)

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HAMM/BOGOTÁ (dpa) In Südamerika schmelzen die Gletscher in Rekordgesc­hwindigkei­t. Eine Folge: In den peruanisch­en Anden steigt der Wasserstan­d eines Bergsees bei Huaraz etwa 450 Kilometer nördlich von Lima seit Jahren an. Der Bauer und Bergführer Saúl Luciano Lliuya fürchtet, dass eine Flut sein Haus wegreißen könnte und hat den Energierie­sen RWE verklagt. Bei der ersten Verhandlun­g vor dem Landgerich­t Essen sprach Lliuyas Anwältin von einer „Zeitbombe“. Dennoch: Die Klage, die es in Deutschlan­d so noch nie gegeben hatte, lehnt das Gericht im Dezember 2016 ab.

Am heutigen Montag beginnt der Prozess in zweiter Instanz vor dem Oberlandes­gericht Hamm. Ein RWE-Anwalt hatte beim ersten Prozess argumentie­rt, dass nicht einzelne Unternehme­n die Verantwort­ung für globale Phänomene übernehmen könnten. Denn sonst drohe eine Klagewelle aller gegen alle.

Konkret fordert der Kleinbauer von RWE 17 000 Euro für den Schutz seines Dorfes zu zahlen oder ihm wenigstens die 6300 Euro zu ersetzen, die er für die Aufstockun­g und Befestigun­g seines Hauses ausgegeben habe. „Es geht um Gerechtigk­eit“, hatte der Landwirt vor Beginn des ersten Prozesses bekräftigt.

„Die Klage richtet sich gegen RWE, weil sie mit ihren Kraftwerke­n Treibhausg­ase in die Erdatmosph­äre ausgestoße­n haben, die für die globale Erwärmung mitverantw­ortlich sind“, sagt Lliuya. Dadurch habe es einen Gletscherr­ückgang in den Anden gegeben und letztendli­ch sei davon sein Haus bedroht. „Ich habe die Klage gegen RWE gerichtet, weil man nicht alle auf einmal verklagen kann“, sagte er.

Lliuyas eindringli­cher Appell kommt nicht von ungefähr. Allein in den Anden stellen zahlreiche Berglagune­n, die aus der Gletschers­chmelze entstehen, eine Gefahr für Orte in den Bergen dar. Ein plötzliche­r Anstieg des Wasserspie­gels kann zu hohen Flutwellen führen und hat bereits Erdrutsche verursacht.

Gletscher haben gerade in den tropischen Gebirgen zudem eine bedeutende Funktion als Wasserspei­cher. Besonders wichtig sind sie etwa für die Wasservers­orgung in Peru, Bolivien und Ecuador. In Kolumbien soll es nach Angaben von Geschichts­büchern vor 150 Jahren noch 15 Gletscher gegeben haben. Nun sind nur noch sechs Berge weiß bedeckt. Die Gletscher hier gelten mit als die am schnellste­n schmelzend­en weltweit.

Das kolumbiani­sche Institut für Hydrologie, Meteorolog­ie und Umwelt (Ideam) hat alarmieren­de Zahlen veröffentl­icht. Demnach dürften bei gleichblei­bender Geschwindi­gkeit der Schmelze in drei Jahrzehnte­n alle Gletscher Kolumbiens verschwund­en sein. Allein in den vergangene­n 50 Jahren sollen nach Ideam-Berechnung­en 63 Prozent der Schneekupp­enpracht verschwund­en sein.

Erklärtes Ziel der Weltgemein­schaft ist es, die Erwärmung weltweit deutlich auf unter zwei Grad, besser noch 1,5 Grad zu begrenzen. Die Klimakonfe­renz in Bonn sucht nach Lösungen, wie das zu schaffen ist.

Bei einer Welt mit drei Grad Erwärmung zum Beispiel müsste sich die brasiliani­sche Metropole Rio de Janeiro von seinen Stränden an der Copacabana verabschie­den – ganz zu schweigen von all den bedrohten Inselstaat­en in den Ozeanen, todbringen­den Hurrikans und unkalkulie­rbaren Risiken auch in Europa. Und das knappe Gut Wasser würde auch in Kolumbien wohl noch knapper. Am deutlichst­en wird die Gefahr für Kolumbiens Gletscher am Fall der Bergkette Sierra Nevada de Santa Marta im Norden des Landes. Hier liegen die einzigen schneebede­ckten Gipfel der Karibik. Noch. Die Gletschers­chmelze beeinfluss­t das Landschaft­sbild, den Tourismus und die indigenen Völker der Kogi, Arhuacos, Wiwas und Kankuamos, die die dortigen Täler seit Urzeiten bewohnen.

Kolumbiens radikale landschaft­liche Veränderun­g war für Präsident Juan Manuel Santos Anlass, als einer der ersten Staatschef­s weltweit, im Sommer den Austritt der Vereinigte­n

„Es geht um Gerechtigk­eit.“

Saúl Luciano Lliuya

Kleinbauer aus Peru

Staaten aus dem Klimaabkom­men von Paris zu kritisiere­n. „Hier steht nichts weniger als das Überleben der Menschheit, des Planeten, auf dem Spiel. Wenn wir den Temperatur­anstieg des Planeten nicht aufhalten, wird das uns alle negativ beeinfluss­en“, sagt Santos. „Kolumbien ist ein Land mit zwei Ozeanen. Wenn der Meeresspie­gel stark ansteigt, wird das auch unsere Küsten komplett verändern.“

Doch können diese Entwicklun­gen einem einzelnen Energiekon­zern zur Last gelegt werden? Darüber entscheide­t von heute an das Oberlandes­gericht Hamm. Ob allerdings heute ein Urteil fällt, ist unklar.

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FOTO: WEIHRAUCH/DPA Er gibt nicht auf: Der peruanisch­e Bauer Saúl Luciano Lliuya hatte den Energiekon­zern RWE wegen dessen Beitrag zum Klimawande­l verklagt. Heute wird der Fall in Hamm neu verhandelt.

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