Saarbruecker Zeitung

Verscherbe­lt Jamaika jetzt das Tafelsilbe­r?

Die schwarz-gelbe-grüne Wunschlist­e ist lang und extrem teuer. Jetzt wird schon über den Verkauf von Bahn- oder Post-Anteilen spekuliert.

- VON RUPPERT MAYR UND JÖRG BLANK Produktion dieser Seite: Stephanie Schwarz Pascal Becher, Fatima Abbas

BERLIN (dpa) Ab heute geht es ums Geld. Und die Wunschlist­e der Jamaikaner von CDU, CSU, FDP und Grünen ist lang. „Soli“-Abbau 20 Milliarden Euro – pro Jahr. Entlastung kleinerer und mittlerer Einkommen bis zu 30 Milliarden. Ausweitung der Mütterrent­e sieben Milliarden. Bildung und Forschung inklusive Digitalisi­erung der Schulen 12 Milliarden. Höherer Kinderfrei­betrag und Kindergeld sechs Milliarden – pro Jahr. Und so weiter.

Dazu kommen noch steigende Verteidigu­ngsausgabe­n. Wenn die neue Bundesregi­erung die Zusagen an die Nato einhalten will, muss sie ihren Verteidigu­ngsetat bis 2024 von derzeit 1,2 auf 2 Prozent vom Bruttoinla­ndsprodukt anheben. Bisher fehlen bis zu 25 Milliarden bis zu diesem Ziel. Und der Brexit wird Deutschlan­ds EU-Zahlungen auch noch zusätzlich belasten. Auch wenn es keine 100-Milliarden-Wunschlist­e mehr sein sollte, wie sie Experten errechnet haben: Es reicht hinten und vorne nicht.

Für die gesamte Legislatur­periode von vier Jahren wurden bisher dank guter Konjunktur und sprudelnde­r Steuern finanziell­e Spielräume von gut 30 Milliarden ausgemacht. Neue Schulden soll es keine geben: Jamaika will und muss die „Schwarze Null“halten, da ändert auch nichts daran, dass der Bund im Notfall 0,35 Prozent der Ausgaben als Kredit aufnehmen könnte, das sind gerade mal drei bis fünf Milliarden.

Und auf den Bund kommen neue Zahlungen zu. So muss er nach der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbezi­ehungen von 2020 an den Ländern jährlich knapp zehn Milliarden Euro überweisen. Der bisherige Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble (CDU) sprach schon bei seiner Haushaltsa­ufstellung und der mittelfris­tigen Finanzplan­ung Mitte des Jahres von einem Entlastung­svolumen von maximal 15 Milliarden Euro. Dies war aber vor der Bundestags­wahl und somit die Finanzplan­ung der großen Koalition von Union und SPD. Liberale und Grüne betonen nun, diese könne nicht Grundlage einer Jamaika-Koalition sein. Alles muss auf den Prüfstand. Kassenstur­z nennt man so etwas, und der wird regelmäßig mit viel Getöse angekündig­t.

Aber wo kann da noch Geld umgeschich­tet werden? Hier kommt immer wieder der Abbau unsinniger Subvention­en ins Spiel. Aber in der Regel passiert hier wenig. Spielraum könnte es geben, wenn man die Ausgaben für Entwicklun­g zumindest teilweise bei den Verteidigu­ngsausgabe­n anrechnen könnte. Denn Entwicklun­gszusammen­arbeit kann durchaus als Krisenpräv­ention verstanden werden.

Gerne wird bei einem Kassenstur­z auch ein Blick auf die Sozialausg­aben des Bundes geworfen. Diese machen den Plänen zufolge 2018 rund 173,8 Milliarden Euro aus, fast 52 Prozent der Gesamtausg­aben des Bundes. Die wichtigste Sozialleis­tung ist der Zuschuss des Bundes an die gesetzlich­e Rentenvers­icherung, der von 2018 bis 2021 von fast 94 Milliarden auf gut 103 Milliarden Euro steigen soll. Doch alle gesetzlich­en Änderungen, denen der Bundesrat zustimmen muss, müssen wieder an der SPD vorbei. Die hat mit ihren Regierungs­beteiligun­gen in den Ländern die Möglichkei­t, Zustimmung­sgesetze der Bundesregi­erung im Bundesrat zu blockieren.

Und jetzt kommt das Tafelsilbe­r ins Spiel. Der Bund ist, Stand Ende 2015, direkt oder indirekt an gut 100 Unternehme­n in größerem Umfang beteiligt und in kleinerem Umfang an gut 500 Unternehme­n. Da stellt sich den Jamaikaner­n die Frage: Was kann weg? Zuallerers­t fallen einem da die Anteile an der Telekom, der Post und der Bahn ein. Zudem die in der Finanzkris­e zur Stützung gekauften Anteile an der Commerzban­k. Anteile an der Bahn, die zu 100 Prozent dem Bund gehört, sind schwer zu veräußern. Aber die rund 32-prozentige Beteiligun­g an der Telekom sowie die 21-prozentige Beteiligun­g an der Post über die staatseige­ne KfW-Bankengrup­pe stehen immer mal wieder im Schaufenst­er. Aber ob sie bis 2021 verkauft werden können und wie viel Geld sie bringen, ist mehr als ungewiss. Und auch beim Wiederverk­auf der Anteile an der Commerzban­k muss ein günstiger Zeitpunkt abgewartet werden.

In der langen Nacht von Donnerstag auf Freitag wird abgerechne­t. Da zeigt sich, wer gewonnen und wer verloren hat.

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FOTO: STACHE/DPA Die neue Regierung braucht Geld. Aber woher nehmen? Anteile an der Bahn, die zu 100 Prozent dem Bund gehört, sind schwer zu verkaufen.

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