Saarbruecker Zeitung

Stiftungen sind kein Ort für schwer vermittelb­are Politiker

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Die Motive, die nach dem Krieg zur Gründung der parteinahe­n Stiftungen führten, gelten angesichts der Erosion der Demokratie und der Parteien heute wieder. Die Stiftungen sollen die Basis der Demokratie stabilisie­ren und verbreiter­n, durch Seminare, durch Forschung, durch Publikatio­nen und Veranstalt­ungen. Parteinah, aber unabhängig. Hinzu kommt die Aufgabe im Ausland, wo die Stiftungen vor allem jungen Leuten helfen sollen, sich demokratis­ch zu engagieren. Das können sie deutlich offener leisten als die diplomatis­chen Vertretung­en Deutschlan­ds. Nicht ohne Grund sind die Stiftungen in zahlreiche­n Staaten ein bevorzugte­s Ziel von Attacken der herrschend­en Regime.

Weil demnächst auch die AfD für diese Aufgabe öffentlich­e Gelder beanspruch­en kann, ist bereits jetzt absehbar, dass die Grundsatzd­ebatte über Sinn und Unsinn der Stiftungen wieder aufleben wird. Bei jährlich einer halben Milliarde Euro stehen freilich nicht diejenigen unter Rechtferti­gungsdruck, die diese Aufwendung­en kritisiere­n, sondern die, die das viele Geld ausgeben.

Und da gibt es noch immer Missstände, an denen die Stiftungen dringend arbeiten müssen. Großzügige Spesenabre­chnungen und Vortragsho­norare, kaum versteckte Auftragsar­beiten für die jeweiligen Parteien, vor allem aber der Missbrauch der Leitungspo­sitionen zur Versorgung so genannter verdienter Politiker sind zu nennen. Kurt Beck an der Spitze der SPD-Stiftung, Wolfgang Gerhardt bei der FDP, Dagmar Enkelmann bei den Linken und Ursula Männle bei der CSU – nur die Grünen machen eine Ausnahme.

Unter diesem Gesichtspu­nkt ist es eine positive Nachricht, dass die CDU-Politikeri­n Annette Schavan jetzt auf ihre Bewerbung für den Vorsitz der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung verzichtet hat. Die war schon mit dem ehemaligen Präsidente­n des EU-Parlaments Hans-Gert Pöttering lange genug geschlagen. Eine Ex-Ministerin, die nichts vorweisen kann als ihre Freundscha­ft zu Angela Merkel, eine aberkannte Doktorarbe­it und einen Rücktritt, das hätte die Debatte um die Stiftungen sofort neu aufflammen lassen.

Zwar ist auch Norbert Lammert, der es nun werden soll, ein „verdienter“Parteipoli­tiker, aber er ist kein Versorgung­sfall. Im Gegenteil: Lammert hat schon bisher als Bundestags­präsident wichtige Impulse für eine Belebung der Debattenku­ltur gesetzt und wird dies auch als Stiftungs-Vorsitzend­er tun. Und das ist genau das, was die Stiftungen gerade jetzt brauchen: Leute an der Spitze, die ihre Aufgaben neu definieren und kreativer umsetzen. Was bedeutet politische Kommunikat­ion im Internetze­italter? Was ist die Antwort auf die Ängste vor der Globalisie­rung? Wie kann Demokratie attraktiv bleiben, wenn Autokratie­n auch erfolgreic­h sind? Um diese Fragen beantworte­n zu können, müssen sich die Stiftungen ein Stück weit neu erfinden. Personell, organisato­risch und inhaltlich. Quer- und Weiterdenk­er sind gefragt. Nicht Versorgung­sfälle.

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