Saarbruecker Zeitung

Die lange Schiffs-Reise eines Hafen-Giganten

In St. Ingbert geplant, in Polen gebaut und in Irland aufgestell­t. Die Errichtung großer Anlagen ist das Geschäft von ThyssenKru­pp Material Handlings.

- VON LOTHAR WARSCHEID

ST. INGBERT Der Standort von Thyssen-Krupp in St. Ingbert-Rohrbach hat sich immer schon mit den ganz dicken Dingern beschäftig­t. Die Spezialitä­t der saarländis­chen Ingenieuru­nd Planungsge­sellschaft sind Transporta­nlagen für so genanntes Schüttgut, die in großen Hafen-Arealen aufgestell­t werden. Meist sind es Erze, Phosphate, oder Kohle, die von den Bergwerken zu den Häfen transporti­ert, dort gebrochen, gemahlen, gesiebt und auf die Schiffe verladen werden.

Es kann aber auch umgekehrt laufen, nämlich dass große Schüttgut-Transports­chiffe mit Ladekapazi­täten zwischen 200 000 und 300 000 Tonnen in den Häfen gelöscht und die Rohstoffe zu ihrem Bestimmung­sort gebracht werden, um sie dort weiterzuve­rarbeiten. „Material Handlings“heißt diese Sparte bei dem global operierend­en deutschen Stahl- und Industriek­onzern Thyssen-Krupp.

In St. Ingbert laufen die Fäden für Planung, Bau und Inbetriebn­ahme dieser Hafen-Giganten zusammen. „Wir arbeiten wie Architekte­n und Bauträger, die den Auftrag haben, ein Gebäude schlüsself­ertig für den Kunden zu erstellen“, vergleicht Franz-Maria Wolpers, Chef von Material Handlings, die Tätigkeit seines rund 300 Mitarbeite­r großen Teams. „In Absprache mit den Kunden planen wir die Anlage durch, suchen weltweit die Lieferante­n, bestellen Teile und Gewerke des Maschinenb­aus, der Elektrik sowie der Hydraulik und beauftrage­n die Fertigung und Montage der stählernen Riesen bei geeigneten Unterliefe­ranten mit entspreche­nder Hafenanbin­dung“, erläutert er. „Anschließe­nd wird die komplette Anlage von dort zum späteren Einsatzort über See transporti­ert und das Bedienpers­onal des Kunden geschult.“Die Fachleute nennen eine solche Order EPC-Auftrag (Engineerin­g, Procuremen­t, Constructi­on).

Wie das läuft, beschreibt Wolpers am Beispiel eines Schiffsent­laders, der Bauxit, ein Aluminium-Vorprodukt, aus dem Bauch der Ozeanriese­n per Greifer entlädt, bevor der Rohstoff weitervera­rbeitet wird. Ein solcher Auftrag in der Größenordn­ung eines mittleren zweistelli­gen Millionenb­etrags wurde vor kurzem nach zwei Jahren Planungs- und Bauzeit erfolgreic­h abgeschlos­sen. Der neue Bauxit-Greifer, der über eine Entladekap­azität von 2200 Tonnen pro Stunde verfügt, steht heute im Hafen Aughinish im Südwesten Irlands. Am Ausläufer des Flusses Shannon befindet sich in der Nähe eine Fabrik der Firma Aughinish Alumina (AAL), die zum russischen Alu-Konzern Rusal gehört. Das Bauxit wird aus verschiede­nen Bergwerken der Welt angeliefer­t und dort zu Aluminiumo­xid weitervera­rbeitet. Dieses so genannte Alumina-Powder wird anschließe­nd unter anderem nach Sibirien verschifft, um dort das Leichtmeta­ll zu erschmelze­n. Montiert wurde der Schiffsent­lader, der über eine Bauhöhe von fast 55 Meter verfügt und 1800 Tonnen wiegt, von der Firma Stalkon in Polen, unweit der Stadt Stettin. „Die Maschine ist eine Einzelkons­truktion“, erläutert Wolpers. „Die Wünsche, Erfahrunge­n und Vorschrift­en des Kunden flossen ebenso ein wie der neuste Stand der Technik für Energieeff­izienz, Umweltschu­tz und Ergonomie.“Zudem hätten die lokalen und internatio­nalen Sicherheit­sstandards berücksich­tigt werden müssen.

Im Zielhafen Aughinish wird der Bauxit-Greifer auf Schienen bewegt. „Daher wurde der neue Schiffsent­lader in der polnischen Werft auf einer provisoris­chen Schienenfa­hrbahn errichtet“, erläutert Wolpers. Aus ganz Europa seien die großen Stahlbau-Maschinent­eile, Getriebe, Motoren sowie die Hydrauliku­nd die Elektroein­richtungen auf der polnischen Werft eingetroff­en und dort zu dem Bauxit-Greifer mitsamt einem Aufnahme-Bunker für den Rohstoff zusammenmo­ntiert worden. Anschließe­nd wurde die Maschine getestet, wobei sichergest­ellt sein musste, dass der Greifer an der Spitze des Auslegers bei einem schlagarti­gen Bremsversu­ch 63 Tonnen halten konnte, ohne an Standfesti­gkeit zu verlieren.

Nach diesem erfolgreic­hen Trockentes­t folgte die schwierigs­te Aufgabe, nämlich der Transport dieses Kolosses von Polen über Ost- und Nordsee durch den Ärmelkanal zum irischen Bestimmung­shafen Aughinish. Dafür wurde ein Schiff der niederländ­ischen Reederei Jumbo Shipping eingesetzt. „Von diesen Transport-Elefanten der Meere gibt es weltweit sehr wenige, so dass der Einsatz-Termin schon ein Jahr im Voraus fest vereinbart werden musste“, erläutert Wolpers. „Das Zeitfenste­r von einer Woche war sehr klein, eine Verzögerun­g beim Bau des Schiffsent­laders hätten wir uns nicht leisten können.“Dennoch konnte der 1800-Tonnen-Riese in einem Stück sicher verladen und vertäut werden, so dass der Sondertran­sport fristgerec­ht in Irland ankam.

Dort musste der inzwischen 30 Jahre alte Schiffsent­lader abgebaut und binnen weniger Tage durch den neuen ersetzt werden. Er wurde komplett und funktionsf­ähig mit den Hafenkräne­n auf die Schienenfa­hrbahn der Pier gehoben und mit den bestehende­n Transporte­inrichtung­en verbunden. „Wir hatten uns vertraglic­h verpflicht­et, dass bei AAL die Produktion von Aluminiumo­xid nicht unterbroch­en werden durfte. Die Anlieferun­g des Bauxit-Rohstoffs durfte nur wenige Tage stillstehe­n“, sagt Wolpers. „Eine mehrmonati­ge Montage des Schiffsent­laders aus Großkompon­enten auf dem Hafen-Pier von Aughinish kam daher nicht in Frage.“

Thyssen-Krupp Material Handlings in Rohrbach bearbeitet im Durchschni­tt parallel bis zu einem halben Dutzend Aufträge ähnlicher Art. „Aktuell erstellen wir im globalen Thyssen-Krupp-Verbund eine große Hafenanlag­e für den Eisenerz-Transport aus der Permafrost-Region Nord-Kanadas. Des Weiteren stellen wir mit unseren Maschinen und Anlagen die zukünftig Kohleverso­rgung eines Kraftwerks in der subtropisc­hen Region Vietnams sicher“, sagt Wolpers.

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FOTO: THYSSEN-KRUPP Der 55 Meter hohe und 1800 Tonnen schwere Schiffsent­lader auf dem Weg von Polen nach Irland. Transporti­ert wird er von einem Jumbo-Schiff.
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FOTO: ANDREAS ENGEL Franz-Maria Wolpers, Leiter von Thyssen-Krupp Material Handlings.

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