Saarbruecker Zeitung

„Die Welt braucht Menschen wie sie“

Der türkische Journalist Can Dündar ist für seinen Kampf um Demokratie und Pressefrei­heit in der Türkei mit dem Siebenpfei­fferPreis geehrt worden.

- VON JOHANNES SCHLEUNING

HOMBURG Es ist als Witz gemeint, aber es beschreibt sein existenzie­lles Dilemma. Der ausgezeich­nete türkische Journalist Can Dündar bedankt sich gestern bei der Jury des 14. Siebenpfei­ffer-Preises mit den Worten: „Herzlichen Glückwunsc­h für den Mut, dass Sie einen Terroriste­n ausgesucht haben.“Der 56-jährige Journalist, Dokumentar­filmer und Buchautor gilt der türkischen Justiz als Verräter. Er war im Mai 2016 in der Türkei zu einer knapp sechsjähri­gen Haftstrafe verurteilt worden, nachdem er mit seinem Kollegen Erdem Gül über Waffenlief­erungen des türkischen Geheimdien­stes an Islamisten in Syrien berichtet hatte. „Dabei habe ich niemals eine andere Waffe in der Hand gehalten als diese“, betont Dündar und hält vor den rund 330 geladenen Gästen im Homburger Forum seinen Kugelschre­iber in die Höhe. Den mit 10 000 Euro dotierten Siebenpfei­ffer-Preis wertet Dündar, der seit Mitte vergangene­n Jahres im Exil in Deutschlan­d lebt, als „Warnung“für all’ „jene, die uns als Terroriste­n bezeichnen“. Der Preis würdige zugleich alle Journalist­en, die ebenso wie er für Demokratie und Pressefrei­heit kämpften – und die für die Wahrung dieser Werte „bis zum Tod“kämpften.

Angesichts der Entwicklun­gen in der Türkei mahnt Dündar Europa zu mehr Verantwort­ung. Der Angriff auf Demokratie und Pressefrei­heit in der Türkei sei ein Problem Europas. Die EU enttäusche jedoch all’ diejenigen, die für die Verteidigu­ng von Freiheiten im Gefängnis sitzen, wenn sie sich wie beim Flüchtling­s-Abkommen mit der Türkei auf ein Geschacher um Milliarden­beträge einlasse. „Freiheiten sollten nicht Verhandlun­gsmasse

sein“, mahnt Dündar. Auch mit der Bundesregi­erung geht der 56-Jährige ins Gericht. Er berichtet von einem Treffen Angela Merkels mit dem früheren türkischen Minsterprä­sidenten Davutoglu, bei dem sie der heute inhaftiert­e deutsche Journalist Deniz Yücel gefragt habe, was sie zu den in der Türkei eingesperr­ten Kollegen sage. Darauf habe sich Merkel auffallend zurückhalt­end geäußert. Das Treffen fand nur wenige Wochen nach dem Flüchtling­s-Abkommen statt. Dündars Botschaft ist unmissvers­tändlich.

Mit düster-poetischen Worten hatte Dündar seine Preisrede begonnen: Manchmal sitze man im Dunkeln, sagt er. Der Boden werde einem unter den Füßen weggezogen. Doch inmitten dieser Einsamkeit lege einem plötzlich jemand die Hand auf die Schulter und sage: Ich bin für dich da. Mit der Würdigung seiner Arbeit durch den Siebenpfei­ffer-Preis habe er „heute diese Hand auf der Schulter gespürt“, sagt Dündar. Mit kämpferisc­hen Worten beendet er seine Rede: „Ich verliere meinen Mut nicht.“

Der luxemburgi­sche Außenminis­ter und Laudator Jean Asselborn hatte den ehemaligen Chefredakt­eur der türkischen Tageszeitu­ng „Cumhuriyet“zuvor für seinen „kompromiss­losen Einsatz für Presse- und Meinungsfr­eiheit“gelobt. „Die Welt braucht Menschen wie sie“, sagte Asselborn. „Trotz Entbehrung­en sind sie ihrer Linie treu geblieben.“Dündar habe viel geopfert: seine Familie, sein Zuhause, seine Arbeit. Die Türkei verweigert seiner Frau und seinem Sohn die Ausreise. Asselborn verurteilt­e den Umgang der türkischen Regierung unter Recep Tayyip Erdogan mit Andersdenk­enden und Kritikern. Auch von Journalist­en werde „die Meinung nicht dadurch kriminell, indem sie öffentlich wird“, so der 68-Jährige. „Als Europarat-Mitglied muss die Türkei die freie Meinungsäu­ßerung als Grundrecht respektier­en.“Gleichwohl äußerte Asselborn die Sorge, dass sich in der Türkei „der Zusammenbr­uch des Rechtsstaa­tes unweigerli­ch fortsetzen wird“.

Der Siebenpfei­ffer-Preis wird seit 1989 von der Siebenpfei­ffer-Stiftung verliehen. Er ist inzwischen mit 10 000 Euro dotiert und zeichnet alle zwei Jahre Journalist­en aus, die sich „für die freiheitli­chen Grundrecht­e und die demokratis­chen Grundwerte in herausrage­nder Weise engagieren“, ohne auf ihre Karriere Rücksicht zu nehmen. Zu den bisherigen Preisträge­rn gehören unter anderem Peter Scholl-Latour, Glenn Greenwald und Günter Wallraff.

„Ich verliere meinen

Mut nicht.“

Can Dündar

 ?? FOTO: THORSTEN WOLF ?? Can Dündar mahnt Europa zu mehr Verantwort­ung gegenüber der Entwicklun­g in der Türkei. Im Hintergrun­d ein Porträt von Philipp Jakob Siebenpfei­ffer.
FOTO: THORSTEN WOLF Can Dündar mahnt Europa zu mehr Verantwort­ung gegenüber der Entwicklun­g in der Türkei. Im Hintergrun­d ein Porträt von Philipp Jakob Siebenpfei­ffer.

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