Kein schöner Jux in dieser Zeit
Gruselig-witzig und ziemlich widerborstig: Dario Fos Klassiker „Bezahlt wird nicht!“in der Saarbrücker Feuerwache.
einem vorgetäuschten Schwangerschaftsbauch ihrer Freundin Margherita verschwinden lässt, kommt ein irrsinniges Lügen- und Versteckspiel in Gang.
Die Palette reicht von der Baby-Transplantation bis zum erfundenen Fest der heiligen Eulalia mit falschen Bäuchen. Dieser feministisch und sozialistisch aufgemöbelte derbe Jux wird in der Feuerwache aufgefrischt durch einen anarchischen Humor, dem alles Recht ist, auch Geschmacklosigkeiten und totale Sinnfreiheit. Zugleich obwaltet ein Ton der Vergeblichkeit, des Versagens und Verzagens. Dazu passt nur noch Höllengelächter.
Mag die Arbeiterklasse auch verschwunden sein, die soziale Frage ist global ungelöst. Und längst hat die Bonzen-Welt der Gauner und Diebe, der Fo‘s Helden in „Bezahlt wird nicht!“noch eine lange Nase drehen, ihre moralfreien Muster nach unten durchgereicht, in eine klassenlose „Wer nicht rafft, ist blöd“-Gesellschaft. Dieser gruselige Befund färbt denn auch die Inszenierung ein. Wehner verweigert sich den Komödien-Regeln von Rasanz und Turbulenz. Durch stumme Clownerien und Vorwärtsrückwärts-Sprechen sorgt sie für mitunter enervierende Stauungen, die den Abend nicht eben bekömmlich machen. Doch nicht nur das ist auf imponierend selbstbewusste Art querköpfig, auch Wehners Umgang mit dem Text. Der schreit förmlich nach Aktualisierungen und Improvisationen.
Fo selbst – er war ein Meister des Stegreif-Spiels – hat sie vorgenommen. Doch Wehner fügt immens viel Eigentext ein, auch gibt es nicht selten Texttausch zwischen den Figuren. So wächst der Facettenreichtum. Der „Kettenhund der Macht“beispielsweise, der Polizist, hat hier nicht nur Beißhemmung, weil er heimlich mit den Demonstranten sympathisiert. Gregor Trakis ist insgesamt ein bisschen schizo, und es ist eine Freude, ihm in die panisch geweiteten Augen zu sehen.
Auch Thorsten Loeb glänzt als Giovanni, zeigt mehr als den überkorrekten Sozialismus-Saubermann, der auf die „subproletarischen Hunde“schimpft und sich, um dem Polizisten zur Hand zu gehen, selbst ohrfeigt. Das ist kein Ehemann Marke „Ekel Alfred“, sondern ein gutmütiger Charakter. Grundanständigkeit und Überfürsorglichkeit machen ihn privat wie politisch blind. Ein Hallodri wie Luigi muss ihn provozieren. Sébastien Jacobi hat bei Wehner nicht den leichtesten Part. Als Fließband-Arbeiter fühlt er sich nicht nur wie ein dressierter Affe, er zeichnet ihn auch motorisch so: ein tänzelnder Hippie mit Leopardensöckchen in den Sandalen.
Auch die Mädels sind mit Kunstfaser-Glanz, Flauschjacken und rosa Leggings hübsch scheußlich zugerichtet (Kostüme: Elisabeth Vogetsender). Anne Rieckhof bleibt mit putziger Begriffsstutzigkeit recht dicht am Typus Dummchen, das Fo geschaffen hat, lässt jedoch auch was von der Illoyalität einer klassischen Mitläuferin ahnen. Antonia hat sie angestiftet – bei Fo ein resolutes, kluges Weib, das zuhause sagt, wo‘s lang geht.
Regisseurin Johanna Wehner hingegen lässt Verena Bukal, die einen kühlen Witz hat, zwar stark auftreten, aber dann immerzu ängstlich bei ihrem Mann nachhören: „Hab ich das auch richtig gemacht?“– Die Unterdrückung hat ihr Werk vollbracht, nicht nur an den Frauen. Und weil die Regie uns mehr als diese Erkenntnis ermöglicht, erübrigt sich die Frage, ob Dario Fo’s Stück heute noch trägt. Davor zieht man den Hut.
Nächste Termine: 3., 7., 8., 16., 20. Dezember; Karten: Tel. (0681) 3092 482 oder kasse@staatstheater.saarland