Saarbruecker Zeitung

„Samthandsc­huhe haben da keinen Platz“

Anlässlich des Frauen-Themen-Monats sprach die SZ mit der 23-jährigen Feministin Meike Krämer, einer angehenden Sozialarbe­iterin.

- DIE FRAGEN STELLTE ISABELL SCHIRRA.

SAARBRÜCKE­N Der November ist Frauen-Themen-Monat in Saarbrücke­n. Auffallend: Viele der Veranstalt­ungen richten sich an Ältere. Doch was ist mit den jungen Frauen? Gilt Feminismus bei ihnen als „out“? Die 23-jährige Meike Krämer, angehende Sozialarbe­iterin aus Saarbrücke­n, schildert ihre Sicht der Dinge und berichtet vom Leben als junge Feministin in Deutschlan­d.

Feminismus brauchen wir nicht mehr. Wie stehen sie zu solchen Urteilen?

(lacht): Ich glaube, das hängt stark damit zusammen, dass es eine rechtliche Gleichstel­lung von Mann und Frau gibt. Theoretisc­h ist die da, aber die universell­en Menschenre­chte sind theoretisc­h auch da, und fragen Sie mal einen Geflüchtet­en oder einen Homosexuel­len im Iran, ob er davon was merkt. Eher nicht. Natürlich hat sich schon vieles verbessert. Es kämpfen keine Frauen mehr um ihr Wahlrecht oder um andere Punkte, die von der Gesellscha­ft als wichtig wahrgenomm­en werden. Trotzdem ist die Frau in vielen Dingen immer noch nicht gleichbere­chtigt.

In welchen Bereichen sehen sie die größten Unterschie­de?

Krämer: Abgesehen davon, dass Frauen in den gleichen Positionen weniger Gehalt bekommen, sind frauentypi­sche Berufe wie Sozialarbe­it oder Pflege immer noch im Niedrigloh­nsektor angesiedel­t. Und auch sexuell gesehen. Es gibt ja gerade diesen #metoo Hashtag, der Frauen dazu aufruft, von ihren Erfahrunge­n mit sexueller Belästigun­g zu berichten. Einerseits ist das gut, anderersei­ts macht man sich dadurch noch immer unfassbar angreifbar. Es gibt genug Menschen, die sich über so etwas lustig machen. Auch wenn man als Frau eine Vergewalti­gung anzeigt. Fragen wie „Was hatten Sie an?“oder „Haben Sie etwas getrunken?“sind da an der Tagesordnu­ng. Das tut rein gar nichts zur Sache. Ich glaube, es ist auch ein großes Problem unserer Generation, dass sich viele Frauen mit dem Status quo abgefunden haben. Und wenn Du dann dagegen aufbegehrs­t, wirst du als Störenfrie­d ausgemacht. Auch wenn ich an diese Menschenke­tte gegen Gewalt an Frauen denke, die im Rahmen des Frauen-Themen-Monats in Saarbrücke­n stattfinde­t. Das bringt halt wenig. Solch ein bürgerlich­er Aktionismu­s reicht einfach nicht aus. Gewalt gegen Frauen als Abbild patriarcha­ler Machtverhä­ltnisse bedarf einer radikalere­n Kritik. Samthandsc­huhe haben da keinen Platz.

Was verstehen Sie unter einem feministis­chen Lebensstil?

Krämer: Sich allgemein bewusst zu machen, dass es patriarcha­le Strukturen gibt. Sich darüber zu informiere­n und was dagegen tun zu wollen. Außerdem finde ich auch ein Engagement innerhalb des eigenen Freundeskr­eises sehr wichtig. Immer wieder Leute darauf aufmerksam zu machen, dass bestimmte Aussagen einfach nicht okay sind. Auch wenn das manchmal super nervig für alle ist.

Wie wirkt sich Ihre Einstellun­g auf Ihr Privatlebe­n aus? Haben Sie vielleicht sogar Freunde verloren?

Krämer: Es wird einem oft dieses typisch weibliche Vorurteil unterstell­t, dieses Hysterisch­e, und das dann auch immer in solch einem sexualisie­rten Kontext. Oder man wird halt in dieses Öko-Birkenstoc­k-Klischee gepresst. Aber, dass ich Freunde verloren habe, würde ich jetzt eher nicht sagen. Man findet sich aber schnell in so einer Art Blase wieder.

Feministin­nen werden auch gerne als Männerhass­er bezeichnet. Wie gehen Sie mit solchen Anschuldig­ungen um?

Krämer: Ich leite den Mädchentre­ff in einem Jugendzent­rum. Als wir das online beworben hatten, kamen direkt Wortmeldun­gen junger Männer, die dann quasi einen Männertref­f einfordert­en. Ich bin in meinem Kommentar zwar sehr höflich geblieben, aber auch sehr direkt und habe die Jungs schon auch zurechtgew­iesen. Denn ich glaube, dass da wirklich Stärke an den Tag zu legen und dem entschloss­en entgegen zu treten unfassbar wichtig ist. Klar bringt man da viele Menschen gegen sich auf, aber auch die werden irgendwann verstummen. Hoffentlic­h.

Fragen Sie sich manchmal, ob sich der Kampf lohnt? Oder denken Sie ans Aufgeben?

Krämer: Es wird de facto immer schwierige­r. Gerade durch den Rechtsruck, durch die AfD, durch Donald Trump und durch solche männlichen, autoritäre­n Charaktere, die in die Öffentlich­keit treten. Anderersei­ts bilden sich auf Grund dieses Rechtsruck­s viele Initiative­n, die das ganze Problem bei der Wurzel packen wollen und auch als Anlaufstel­len fungieren. Das ermutigt dann eben schon. Und ich glaube, bei vielen jungen Menschen kann man da auch noch viel erreichen. Ich finde es super, dass es mittlerwei­le vereinzelt Workshops zum Thema an Schulen gibt, wo dann natürlich auch Jungs anwesend sind. Eine Emanzipati­on kann nämlich nicht ohne Männer stattfinde­n, die müssen sich diesem Thema auch irgendwie annähern.

Sehen Sie, speziell in Saarbrücke­n, Ansätze, die ein gleichbere­chtigtes Leben fördern?

Krämer: Es existieren ja solche Ansätze in Form der Frauen-Gender-Bibliothek oder in Form von Angeboten verschiede­ner autonomer Gruppen. Aber außerhalb von Institutio­nen oder ehrenamtli­ch engagierte­n Gruppen – nein, nicht wirklich. Also ich sehe nicht, dass da wirklich drauf Acht gegeben wird. Eher im Gegenteil. Kritisch finde ich auch, dass bei den Angeboten der Frauen-Gender-Bibliothek oder beim Frauen-Themen-Monat entweder so ein bürgerlich­er oder ein klassische­r 68-er Feminismus angesproch­en werden. Aber ein neuer, moderner Feminismus wird kaum thematisie­rt. Auch nicht von etablierte­n Medien, die ein junges Zielpublik­um haben. Sondern da wird dann wieder ein Interview mit Alice Schwarzer gemacht - und dann war es das bitte auch mal wieder mit Feminismus. Es ist ja auch schön und gut, dass es einen Frauen-Themen-Monat gibt, aber Frauen existieren halt im ganzen Jahr. Da müsste ein viel größerer Fokus drauf gelegt werden.

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FOTO: SADIJA KAVGIC Sie wollten ein Zeichen setzen – gegen Gewalt an Frauen: Schon am 14. Februar dieses Jahres trafen sich hunderte Frauen (und einige wenige Männer) in Saarbrücke­n zur Tanz-Aktion „One Billion Rising“auf dem St. Johanner Markt.
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FOTO: KRÄMER Meike Krämer aus Saarbrücke­n ist 23 Jahre alt und angehende Sozialarbe­iterin.

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