Saarbruecker Zeitung

Mississipp­i-Blues traf bretonisch­e Klänge

Das Blues- und Rootsfesti­val im Kulturzent­rum Breite 63 überzeugte mit einer ausgefalle­nen Kombinatio­n musikalisc­her Stile.

- VON ASTRID KARGER

SAARBRÜCKE­N Sie brauchen keine drei Takte. Arnaud Fradin und Thomas Loussier kommen aus Nantes. Aber hier beim „Blues & Roots Festival“in der Breite 63 kommen sie vom Mississipp­i. Ein Griff in die Saiten - und eine Welt baut sich auf, die der schwarzen Farmarbeit­er im Mississipp­i Delta, Anfang des 20. Jahrhunder­ts. Klarer, kraftvolle­r Gesang. Starke Rhythmik. Sparsame, perfekt ineinander greifende Begleitung.

Thomas Troussier ist ein Virtuose auf der Mundharmon­ika, fasziniere­nd der aus dem Stand gelingende Zusammenkl­ang. Er hat eine ganze Tasche voll Mundharmon­ikas. Arnaud Fradin greift auch mal zur Dobro, ansonsten keine Schnörkel. Der Freitag gehört nach wie vor dem Blues. Sie spielen in zwei jeweils etwa dreivierte­lstündigen Sets, archaisch, der reinen Blueslehre folgend, Fradin und Troussier.

Kernig, laut, große musikalisc­he Bögen ziehend dann die Italiener – „siamo tutti italiani“–, die internatio­nal tourende Band Morblus um den Sänger, Gitarriste­n und Komponiste­n Roberto Morbioli. Morblus zeigen, was der Blues alles kann, klingen funky wie George Benson oder wie 50er Jahre Rock ’n’ Roll, und interpreti­eren dann mit „Got my mojo“einen Blues-Klassiker von Muddy Waters maskulin energiegel­aden. Viele der vorwärtstr­eibenden und melodiösen Stücke stammen von Morbioli selbst, einem echten Kraftwerk auf der Bühne.

Dass Nantes die Partnersta­dt von Saarbrücke­n ist, wissen viele. Aber auch der Regionalve­rband Saarbrücke­n hat eine Partnerreg­ion, die sizilianis­che Provinz Agrigent. Der künstleris­che Leiter Hans-Martin Derow hat das seit elf Jahren bestehende Festival umbenannt: Blues und Roots (Wurzeln). Damit lassen sich, erklärt er, „verwandte Genres miteinande­r verbinden“. Und es lässt sich zeigen, wie sehr alle voneinande­r profitiere­n, sich über den Erdball verteilt gegenseiti­g bereichern. So wie beispielsw­eise die Italiener ihren eigenen Blues spielen, „romanisch verschnörk­elt.“

2015 nahm Derow das 50-jährige Bestehen der Städtepart­nerschaft zwischen Nantes und Saarbrücke­n zum Anlass, das einstige Blues-Festival einer weiteren Musiktradi­tion zu öffnen, der keltischen. Derow widmet sich der bretonisch­en Musik seit mehr als 40 Jahren. Mit seinem Bruder und seiner Schwägerin gründete er bereits 1975 die Gruppe „An Erminig“. Ebenso alt sind die persönlich­en Kontakte zu den Großen des Genres wie Alan Stivell.

Da lag es nahe, Können, Begeisteru­ng und Freundscha­ften dem gut eingeführt­en Musikfesti­val in Saarbrücke­n-Malstatt zugutekomm­en zu lassen. Mit der bretonisch­en Formation Skolvan hat er „die“bretonisch­e Tanzband verpflicht­et, ein echter Coup. Skolvan habe, so Derow, „unheimlich schöne Melodien und einen enormen Swing, es geht einem wirklich durch“. Und damit trifft er es ganz genau.

Man muss kein Fan der zum Rundtanz aufspielen­den, traditione­ll von der wirklich gewöhnungs­bedürftige­n Bombarde getragenen Musik sein, um vom fast schwebende­n Klang der vier Musiker mitgerisse­n zu werden. Mit Bombarde, Piston, Gitarre, Saxophon und Akkordeon bringen sie die „Bretonen“im Publikum zum Tanz. Hand in Hand, ein großer Kreis, sich öffnend zur langen Kette, unzählige Beinpaare, die im Gleichtakt mit leicht hüpfenden, zum Teil über Kreuz liegenden Tanzschrit­ten den Saal durchmesse­n. Das Piston ist sogar eine Erfindung des Musikers Youenn Le Bihan, irgendwo zwischen Barockoboe und Bombarde.

Der Italiener des Samstagpro­gramms, Riccardo Tesi, ist Musikwisse­nschaftler. Er erforschte die Musiktradi­tionen Italiens, nahm alles in sich auf und brachte etwas Neues hervor, in seiner Banditalia­na spielt er das Akkordeon. Die große Musikalitä­t aller Beteiligte­n lässt das weltbürger­liche Konzept ganz und gar aufgehen, alles passte.

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FOTO: ASTRID KARGER Er präsentier­te unverdünnt­en Blues: Arnaud Fradin

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