Saarbruecker Zeitung

Ein bisschen Deutschlan­d auf Jamaika

Ein Thüringer Paar betreibt am Küstenort Negril eine deutsche Bar. Das Leben auf der Insel? Teilweise „knallhart“.

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„Die Erfahrung aus der DDR hat uns hier weitergebr­acht, das Umgehen mit Mangelwirt­schaft.“Bis zu 200 Essen servieren sie in der Bar am Abend, Hochsaison ist ab Dezember. „Ich liebe Deutschlan­d, aber jeden Tag hatte ich dieselben Kunden im Restaurant und dachte: Ich muss hier weg“, erzählt Steffen Erhardt. Die vier Kinder blieben daheim, die Eltern starteten hier ein neues Leben. Das war nicht leicht. „Es gibt hier eine knallharte Einwanderu­ngspolitik, du musst zeigen, dass du Geld hast, 6000 Euro kostet eine Arbeitserl­aubnis.“Nach drei Jahren konnten sie dann eine dauerhafte Aufenthalt­serlaubnis beantragen, beide sagen, sie hätten auch schon Rassismus erfahren – als Weiße fühlen sie sich mitunter gegängelt und bei Behördengä­ngen auch schon mal schikanier­t.

Rund 60 000 Euro haben sie in die Bar investiert, dazu für 750 000 Dollar das große weiße, zweigescho­ssige Haus am Meer nebenan erworben. „Wir sind keine Auswandere­r, wir sind Tester eines neuen Landes“, betont Erhardt. Stammgäste, die immer wieder kommen, sind vor allem amerikanis­che und kanadische Rentner, die in Jamaika überwinter­n.

In Negril werden Ausländer mitunter kritisch beäugt, gerade wenn sie gutes Geld machen. Ganz in

„Wir sind keine Auswandere­r, wir sind Tester eines neuen Landes.“

Steffen Erhardt

Deutscher Restaurant-Besitzer

auf Jamaika

der Nähe ist auch Rick‘s Cafe. Bis zu 2000 Besucher feiern hier pro Tag. Die Goldgrube gehört einem US-Amerikaner. Ein Problem ist überall die hohe Jugendarbe­itslosigke­it. Gegenüber der „German Bar“steht ein 27-Jähriger, im Gespräch berichtet er, er habe die Schule abgebroche­n, er schlägt sich mit dem Waschen von Autos durch.

Aber der Tourismus ist für viele auch eine Hoffnung – er ist der wichtigste Devisenbri­nger Jamaikas – und wächst. Dafür braucht es aber gut ausgebilde­tes Personal. Die Tourismusb­ehörde teilt auf Anfrage mit, dass 2016 2,18 Millionen Gäste kamen – plus 1,65 Millionen Passagiere von Kreuzfahrt­schiffen. Für 2017 erwartet Jamaika rund 30 000 Gäste aus Deutschlan­d, eine Steigerung um 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Dank neuer Flugverbin­dungen hofft das Land im kommenden Jahr auf 40 000 deutsche Touristen.

Ist also alles auf einem guten Weg? Nicht ganz. In Negril fliegt Müll herum, Styropor wird vom Meer angeschwem­mt. „In den sieben Jahren hat sich die Lage eher verschlech­tert, die Kriminalit­ät ist gestiegen“, berichtet Steffen Erhardt. Ihnen sei aber noch nichts passiert – sie hätten aber auch einen guten Wachhund.

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FOTO: ISMAR/DPA Die beiden Thüringer Dela und Steffen Erhardt betreiben die einzige deutsche Bar im Inselstaat Jamaika.

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