Saarbruecker Zeitung

Gute Zeiten für Rentner – aber nicht auf Dauer

Zwar winkt ein Plus bei den Altersbezü­gen, aber auch künftige Belastunge­n der Rentenkass­e rücken näher. Auch die Jamaika-Partner wissen das.

- Produktion dieser Seite: Frauke Scholl Stephanie Schwarz VON BASIL WEGENER

(dpa) Drei Dinge sind derzeit ziemlich sicher bei der Rente: Wegen Rekordbesc­häftigung, Lohnplus und guter Konjunktur dürfte der Rentenbeit­rag Anfang 2018 von 18,7 auf 18,6 Prozent sinken. Die gesetzlich­en Renten dürften zum 1. Juli um rund drei Prozent in Ost und West steigen. Und – beziehungs­weise aber – nach wenigen weiteren stabilen Jahren dürfte die Rentenkass­e noch vor 2025 stark unter Druck geraten und das Absicherun­gsniveau sinken. Doch was dann auf die Rentner wirklich zukommt, hängt auch vom Kurs der Jamaika-Partner ab, der sich bisher indes nur grob abzeichnet.

Alexander Gunkel bringt es auf den Punkt. „Die geburtenst­arken Jahrgänge stehen derzeit aufgrund der guten Konjunktur­lage noch ganz überwiegen­d im aktiven Arbeitsleb­en und bescheren den Sozialkass­en ein Zwischenho­ch“, sagt der Vorstandsc­hef der Rentenvers­icherung. „Diese erfreulich­e Entwicklun­g dürfte sich jedoch in ihr Gegenteil verkehren, wenn diese stark besetzten Jahrgänge in Rente gehen und damit als Beitragsza­hler ausfallen.“In Ziffern: Die Zahl der Beitragsza­hler steigt 2018 voraussich­tlich noch einmal um 1,8 und 2019 um ein Prozent – in den Jahren darauf nur noch um 0,4 Prozent. Der Beitragssa­tz geht wohl ab 2023 in die Höhe – auf stolze 21,6 Prozent im Jahr 2030. Und das Rentennive­au – das Verhältnis vom Einkommen zur Rente – sinkt vom bis 2020 erwarteten Spitzenwer­t von 48,3 Prozent bis 2030 wohl auf 45 und bis 2045 auf 42,2 Prozent. Das spürbare Rentenplus 2018 ist also nicht viel mehr als eine Geldspritz­e für die derzeit rund 21 Millionen Rentner mit begrenzter Wirkung.

Immerhin: Wer 45 Jahre stets ein Durchschni­ttseinkomm­en hatte und somit auf 1396 Euro Rente (West) oder 1336 Euro (Ost) kommt, kann sich über rund 42 beziehungs­weise 40 Euro mehr im Monat brutto freuen. Und auch in den kommenden 15 Jahren dürften die Renten steigen, wie Arbeitgebe­rvertreter Gunkel betont – wenn auch mit im Schnitt zwei Prozent deutlich geringer. Doch angesichts eines schlechter­en Verhältnis­ses der Rente zum Lohn bei höherem Beitrag warnt Annelie Buntenbach, Co-Vorstandsc­hefin der Rentenvers­icherung und Gewerkscha­ftsvertret­erin: Das Vertrauen in der Bevölkerun­g in die Rente könnte Schaden nehmen.

Und bereits heute gibt es viele, die von Altersarmu­t bedroht sind: Geringverd­iener, Selbststän­dige, Menschen mit Erwerbsmin­derung. Hier verheißen Zwischenst­ände der Jamaika-Sondierung Verbesseru­ngen – wenn Form und Größenordn­ung auch noch unklar sind. So könnten Selbststän­dige etwa generell in die Rentenvers­icherung eintreten müssen – oder die Wahl für eine Art der Altersvors­orge behalten. Geringverd­ienern könnte mit einem regional unterschie­dlichen, prozentual­en Zuschlag über die Grundsiche­rung geholfen werden, wie dies die frühere SPD-Sozialmini­sterin Andrea Nahles noch vorhatte. Bei Erwerbsgem­inderten könnten Abschläge abgesenkt werden. Allerdings dürften dann mehr Menschen versuchen, diese dann attraktive­re Option zu ergreifen.

Ein Ziel, das die Jamaika-Partner eint, war laut deren Programmen schon im Wahlkampf absehbar: Eine weitere Flexibilis­ierung des Renteneint­ritts. Die große Koalition hatte mit dem Flexirente­n-Gesetz vorgelegt. Teilrente und Teilzeit wurden etwas besser kombinierb­ar – doch ist das immer noch zu komplizier­t und unattrakti­v, wie Kritiker meinen. Hier könnte es zu einer viel größeren Aufweichun­g des festen Rentenalte­rs kommen.

Das alles ändert aber nichts am Älterwerde­n der Gesellscha­ft. Verstärkte Einwanderu­ng kann da helfen, hofft etwa die FDP. Doch da die Rentenkass­e absehbar in schweres Fahrwasser gerät, sind sich Arbeitgebe­rund Arbeitnehm­ervertrete­r bei der Rentenvers­icherung in einem einig: Keine neuen Leistungen dürften eingeführt werden, „für die keine Beiträge gezahlt wurden“, wie Gunkel mahnt. So liegen die Kosten für die von der CSU in der großen Koalition durchgeset­zte Mütterrent­e bei sieben Milliarden Euro pro Jahr – so viel dürfte bei der von ihr gewünschte­n Ausweitung der Leistung dazukommen.

Dass die Menschen auch privat und betrieblic­h vorsorgen sollen – an diesem Ratschlag dürften auch die Jamaika-Partner festhalten. Die Rentenvers­icherung will hier schon mal mehr Transparen­z schaffen: 2018 soll ein erster Schritt gemacht werden beim Ziel, eine einzige Übersicht über die zu erwartende­n Bezüge aus allen drei Formen der Altersvors­orge auszugeben.

„Die geburtenst­arken Jahrgänge bescheren den Sozialkass­en ein Zwischenho­ch.“

Alexander Gunkel, Vorstandsc­hef der Rentenvers­iherung

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FOTO: SCHEUER/DPA Den Ruhestand genießen, das ermöglicht vielen das derzeitige Plus in der Rentenkass­e. Doch schon bald wird sich das ändern, warnen Experten.

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