Saarbruecker Zeitung

Jamaika braucht ein solides Rentenkonz­ept

-

Das ist schon ordentlich. Nicht nur die Renten werden im kommenden Jahr weiter spürbar zulegen. Dank des konjunktur­ellen Booms kann erstmals seit 2015 auch wieder der Rentenbeit­rag leicht sinken. Dies hat sogar einen dreifachen Positiv-Effekt. Erstens: Die Beitragsza­hler werden entlastet. Zweitens: Der Staat muss weniger Steuermitt­el in die Rentenkass­e leiten. Drittens, und das dürften wohl die wenigsten Rentner wissen: Ihre Rentenanpa­ssung im Folgejahr, also im Sommer 2019, wird durch die Senkung des Beitragssa­tzes von vornherein etwas höher ausfallen. So sehen es die komplizier­ten Regeln bei der Rentenbere­chnung vor. Unter dem Strich bleibt also viel Grund zur Freude. Nur wird der Glückszust­and mit Sicherheit nicht auf ewig halten.

Die Deutsche Rentenvers­icherung sieht in der Entwicklun­g lediglich ein „Zwischenho­ch“. Und genau das trifft es. Derzeit stehen noch die geburtenst­arken Jahrgänge zumeist im Arbeitsleb­en. Aber diese Generation geht bald selbst in Rente. Die arbeitende Generation danach ist deutlich kleiner. Hier gab es keinen Babyboom. Das heißt: Weniger Beitragsza­hler müssen mehr Rente finanziere­n. Und manche Rente reicht schon heute mehr schlecht als recht zum Leben. Tendenz steigend.

Betrachtet man vor diesem Hintergrun­d die laufenden Sondierung­en der Jamaika-Unterhändl­er, hat man nicht den Eindruck, dass sich alle Beteiligte­n dieser komplexen Herausford­erung bewusst sind. Die CSU zum Beispiel setzt einseitig auf milliarden­schwere Mehrausgab­en bei der Mütterrent­e. Die CDU will die längerfris­tige Stabilisie­rung des Rentensyst­ems erst mal an eine Expertenko­mmission delegieren. Und den Grünen wäre die Beibehaltu­ng des jetzigen Rentennive­aus am liebsten. Letzteres übrigens könnte der Beseitigun­g von Altersarmu­t am wenigsten gerecht werden. Denn Kleinstren­ten profitiere­n davon kaum, derweil Besserverd­iener deutlich mehr bekämen. Gerechtigk­eit? Fehlanzeig­e.

Eine künftige Regierung muss sich um solche Menschen kümmern, die Mini-Renten zu erwarten haben. Um Selbständi­ge, die mit einer Versicheru­ngspflicht zur Altersvors­orge angehalten werden müssen. Um Erwerbsgem­inderte, von denen viele trotz aller Verbesseru­ngen nur eine bescheiden­e Rente bekommen. Und wenn schon mehr Mütterente, dann gehört das wegen der gesellscha­ftlichen Dimension aus Steuermitt­eln finanziert und darf nicht zu Lasten der Beitragsza­hler gehen. Eine künftige Regierung könnte aber auch über einen Ausbau des Wohngeldes und die Eindämmung sozialvers­icherungsf­reier Minijobs nachdenken. Denn längst nicht alle Probleme von Altersarmu­t werden sich künftig über die Rentenkass­e lösen lassen.

Die Verantwort­lichen in Berlin müssen ein überzeugen­des Konzept vorlegen, das die Legitimati­on des gesetzlich­en Rentensyst­ems stärkt und der Angst, im Alter nur noch von Almosen leben zu müssen, wirksam begegnet. Die Rente, das sollte sich auch noch bis „Jamaika“herumsprec­hen, ist jedenfalls kein Selbstläuf­er.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany