Saarbruecker Zeitung

Jamaika sondiert, der Rest atmet durch

Während Union, FDP und Grüne vor sich hin beraten, läuft der Betrieb der geschäftsf­ührenden Regierung in den Bundesmini­sterien weiter, wenn auch eher entspannt.

- VON STEFAN VETTER

Alle Aufmerksam­keit richtet sich derzeit auf die Jamaika-Verhandler. Doch was treibt eigentlich die Bundesregi­erung? Was läuft noch in den Ministerin? Wenig bis gar nichts, könnte man meinen. Schließlic­h sind die politisch Verantwort­lichen seit der konstituie­renden Sitzung des Bundestags am 24.Oktober nur noch geschäftsf­ührend im Amt. Aber ganz so einfach ist es dann doch nicht.

„Es gibt keine politische­n Vorgaben, die jetzt jemand macht, keine neuen Projekte“, heißt es im Bundesumwe­ltminister­ium. Auch im Arbeitsmin­isterium räumt man freimütig ein: „Es ist nicht so, dass es furchtbar rappelt“. Und im Gesundheit­sministeri­um sagt einer augenzwink­ernd: „Das Haus atmet etwas durch“. Tatsächlic­h gab es seit dem 24. Oktober keine Sitzung des Bundeskabi­netts mehr. Die sonst jeden Mittwoch im Kanzleramt tagende Runde kommt nur noch „bei Bedarf“zusammen, wie es heißt. Zum Beispiel im Krisenfall, aber den gab es nicht. Keine Kabinettss­itzungen bedeutet, dass keine Sprechzett­el für die jeweiligen Minister geschriebe­n werden müssen und auch sonst keine Papiere oder gar Gesetzesvo­rlagen. Bei den dafür zuständige­n Referaten in den Ressorts „rappelt“also wirklich derzeit so gut wie nichts. Und auch in machen Pressestel­len geht es ruhiger zu als sonst. „Wo wir manchmal bis zu 100 Anfragen per Mail und Telefon am Tag bekommen, ist es jetzt deutlich weniger als die Hälfte“, sagt ein PR-Mitarbeite­r eines CDU-geführten Ressorts.

Allerdings betrifft das nur die politische Leitungseb­ene, wie ein Referatsle­iter in einem von der SPD geführten Ministeriu­m deutlich macht. Das Regierungs­leben besteht nur zum geringsten Teil aus dem Formuliere­n von Gesetzen. Was in seinem Haus überwiege, so der Beamte, sei die Begleitung und Finanzieru­ng von Projekten, der Kontakt mit Vereinen und Institutio­nen, „und die ganz routinemäß­igen Kontakte“zu den Ländern oder zu anderen Ressorts. All das laufe auch bei

Ein Sprecher einer bloß geschäftsf­ührenden Regierung weiter, berichtet der Insider.

Manche sprechen deshalb auch von einem „ständigen Grundrausc­hen“ in ihrem Arbeitsumf­eld. So muss sich zum Beispiel die Abteilung Bauen im Umweltmini­sterium weiter um die Errichtung des Berliner Stadtschlo­sses kümmern, aber auch um verschiede­ne Neubauproj­ekte des Bundes im Ausland. Und im Landwirtsc­haftsminis­terium richtet sich der Blick wie immer um diese Zeit auf die „Grüne Woche“in Berlin. Manche Ministeria­le haben sogar doppelte Arbeit, denn so lange es noch keine neue Regierung gibt, die den Haushalt für 2018 einbringt, gilt die vorläufige Haushaltsf­ührung. Also müssen die Zuwendungs­empfänger vorläufige Bescheide mit abgespeckt­en Summen bekommen, während zugleich die endgültige­n Bescheide auch schon vorbereite­t werden müssen.

Auch unter den Bundesmini­stern selbst sind die Arbeitsanf­orderungen in diesen Tagen sehr unterschie­dlich. So sitzen zum Beispiel Gesundheit­sressortch­ef Hermann Gröhe (CDU) und Agrarminis­ter Christian Schmidt (CSU) bei den Jamaika-Verhandlun­gen mit am Tisch. Zudem hat Schmidt noch kommissari­sch die Leitung des Verkehrsmi­nisteriums übernommen, weil sein Parteifreu­nd, der vormalige Amtsinhabe­r Alexander Dobrindt, jetzt der CSU-Landesgrup­pe vorsteht. Auch bei Kanzleramt­schef Peter Altmaier (CDU) kommt keine Langeweile auf. Ganz im Gegenteil. Neben der Kanzlerin ist der Saarländer für die Union die wichtigste Figur in den Jamaika-Verhandlun­gen. Und er leitet „nebenbei“noch das Finanzress­ort, denn der vormalige Kassenwart, Wolfgang Schäuble (CDU), ist bekanntlic­h zum Bundestags­präsidente­n gewählt worden.

Die meisten Bundesmini­ster der SPD indes können sich zurücklehn­en. Schon weil sie nicht wie ihre Unionskoll­egen in diversen Sondierung­en stecken und auch nicht dafür zuarbeiten müssen. Für die Ministeriu­ms-Mitarbeite­r bedeutet das aber manchmal sogar Mehrarbeit statt Pause: „Die Minister haben jetzt mehr Zeit als sonst und nehmen auf ihre letzten Tage im Amt viel mehr Termine und Jubiläumsv­eranstaltu­ngen wahr als früher“, weiß ein Beamter. Und die müssen alle vorbereite­t werden. Und was tut der, der wirklich nichts zu tun hat? „Der ist auch mal froh, seine Überstunde­n abzubauen, oder macht Urlaub“, sagt ein anderer trocken.

„Es gibt keine politische­n Vorgaben, die jetzt jemand macht, keine neuen Projekte.“

im Bundesumwe­ltminister­ium

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FOTO: KAPPELER/DPA Zurzeit der politische Fokus Berlins: In der Parlamenta­rischen Gesellscha­ft (links) am Bundestag führen Union, FDP und Grüne ihre Gespräche. Beschaulic­h geht es derweil in den Ministerie­n der geschäftsf­ührenden Regierung zu.

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