Saarbruecker Zeitung

Mit Strategie und Ausdauer zum Sieg am runden Tisch

-

BERLIN (has) Von Angela Merkel ist der schöne Satz überliefer­t: „Ich habe eine Art Kamelkapaz­ität, mit Schlaf umzugehen.“Sie könne fünf oder sechs Tage mit sehr wenig auskommen, dann benötige sie wieder einen Tag, „an dem ich ausschlafe“. Ein echter Vorteil. Auch für die nun anstehende Marathonsi­tzung, die „Nacht der langen Messer“bei den Jamaika-Sondierung­en. Die Kanzlerin ist diese Art der Beratungen aus Brüssel gewöhnt, wenn der Europäisch­e Rat die Griechenla­nd-Rettung oder die Flüchtling­skrise verhandelt. Manch einer ihrer hochrangig­en Kollegen, berichten Insider, „nickt dann schon mal weg“. Nicht so die Kanzlerin. Sie steht anschließe­nd auch noch der Presse Rede und Antwort. Wobei: Manchmal ist auch ihr Akku fast leer. Zuletzt wurde bei den Sondierung­en dem Vernehmen nach eine Chef-Runde kurz vor Mitternach­t beendet, weil die CDU-Vorsitzend­e und mit ihr CSU-Chef Horst Seehofer von Müdigkeit übermannt wurden.

Lange und anstrengen­de Sitzungen, in denen man hellwach bleiben muss, um nicht über den Tisch gezogen zu werden, gehören in der Politik zum Spiel. 2013 dauerte die Schlussrun­de von Union und SPD über die Bildung der Großen Koalition 17 Stunden – dann stand endlich der Koalitions­vertrag. Regelmäßig nehmen Besprechun­gen kein Ende, wenn der Bund mit den Ländern verhandelt, entweder direkt oder im Vermittlun­gsausschus­s des Bundesrate­s. Meist geht es dann ums Geld. Reformen, Steuern, Kernprojek­te, vieles wird auch deswegen stundenlan­g besprochen, weil Politik nun mal ein Geben und Nehmen ist. Wie auf dem Basar. Außerdem macht das die Sache auch so dramatisch – was die nervöse Basis beruhigen soll.

Doch mit welcher Strategie geht man am besten in eine „Nacht der langen Messer“? Bela Anda, einst Regierungs­sprecher unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD), hat einige davon erlebt. „Keiner wird sofort seine Verhandlun­gsposition­en aufgeben, selbst wenn er ein Kompromiss­angebot im Köcher hat.“Jeder werde zuerst versuchen, noch einmal möglichst viel bei seinen Kernthemen durchzuset­zen. Je länger dann aber die Nacht dauere, desto größer werde der Druck einer Einigung. Denn alle wüssten: „Wenn wir jetzt rausgehen und keine Erklärung parat haben, wird uns die Öffentlich­keit in der Luft zerreißen.“Deswegen würden die extrem strittigen Punkte zum Schluss aufgerufen, „wenn die Stunde null naht“.

Alkohol ist tabu bei den Runden, sagt Anda. Es sei denn, man heißt Wolfgang Kubicki. Der FDP-Vize verriet jetzt: „Immer, wenn ich kurz vor der Verzweiflu­ng bin, bestelle ich mir zur Beruhigung meiner Nerven ein Glas Weißwein.“Dreimal sei das bisher passiert. Der Kubicki eben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany