Saarbruecker Zeitung

Jamaika oder Neuwahlen? Jetzt kommt es auf Merkel an

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Die „Nacht der langen Messer“steht den Jamaika-Sondierern bevor, aber wenn dabei Grundsätze auf der Strecke bleiben, dann können es die Koalitionä­re gleich lassen. Das wird schon am Parteivolk, an der jeweiligen Basis scheitern, die so blöd nicht ist, dass sie nicht merkt, wo eigene Identitäte­n preisgegeb­en wurden. Anderersei­ts: Formelkomp­romisse oder das Verschiebe­n in Kommission­en sind auch keine Lösung. Denn so blöd sind wiederum die Wähler nicht, als dass sie sich damit abspeisen ließen.

Die Grünen haben den weitesten Weg nach Jamaika zu gehen; Union und FDP können von jeher miteinande­r. Wer den Grünen einen humanen Umgang mit Flüchtling­en wegmessern will, wird Jamaika nicht bekommen. Man kann von ihnen verlangen, dass sie beim Thema sichere Herkunftss­taaten und Ankunftsze­ntren nachgeben. Mehr nicht. Mehr ist angesichts der aktuellen Lage derzeit auch gar nicht nötig. Obergrenze und Totalstopp beim Familienna­chzug für subsidiäre Flüchtling­e sind reine Symbolford­erungen. Es ist an der CSU, sie endlich aufzugeben, denn der Wahlkampf ist im Bund vorbei. Es ist an der Kanzlerin, das durchzuset­zen. Dass sich der Kontrollve­rlust nicht wiederholt, ist ein viel ernsthafte­res CSU-Anliegen. Aber das ist längst konsensfäh­ig.

Das Gleiche gilt für den Kohleausst­ieg. In Bonn Gastgeber der Weltklimak­onferenz sein und später in einer Koalition ungerührt die eigenen Vorgaben verfehlen, das ist ein Vorwurf, den sich die Grünen angesichts ihres jahrzehnte­langen Engagement­s nicht vorhalten lassen werden. Zuletzt hat das Bundesumwe­ltamt, eine Regierungs­behörde, bei diesem Thema Kompromiss­wege aufgezeigt. Eine Mischung aus Abschalten und Um- stieg. Wenn dazu noch ein Förderpake­t für den Strukturwa­ndel in den betroffene­n Regionen kommt, ist eine Lösung möglich.

Das freilich muss es im Kern zugunsten der 8,9-Prozent-Grünen gewesen sein; der Schwanz kann nicht mit dem Hund wackeln. Die Ökopartei muss ihrerseits anerkennen, dass die Union nichts wirtschaft­lich Unvernünft­iges mitmachen kann und wird, sei es beim Automobil oder in der Landwirtsc­haft. Die FDP wiederum hat eher ein emotionale­s Problem mit ihrem ehemaligen Koalitions­partner Union. Wenn Angela Merkel die Aufhebung des Kooperatio­nsverbotes und einen verbindlic­hen Fahrplan für die Abschaffun­g des Soldiaritä­tszuschlag­es offeriert, wäre das ein wichtiges Signal: Ich mache aus euch nicht zweimal Hackfleisc­h.

Merkel will von Grünen und FDP zur Kanzlerin gewählt werden. Es ist deshalb an ihr, den Partnern jetzt auch etwas anzubieten. Natürlich ist das riskant. Die CSU könnte abspringen, in der CDU könnten die Widerständ­e gegen Merkel noch größer werden. Aber nichts im Leben ist ohne Risiko. Die Union ist, das haben dort noch nicht alle realisiert, neben der SPD die große Wahlverlie­rerin des 24. September. Auch sie muss sich bewegen. Vielleicht muss die Kanzlerin ihren Leuten verdeutlic­hen, dass es nur eine Alternativ­e zu einer Einigung in der kommenden Nacht gibt: Neuwahlen. Und zwar womöglich ohne sie.

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