Saarbruecker Zeitung

Hochprozen­tiges aus dem Netz

Ein e Gesetzeslü­cke macht es Kin dern un d Jugen dlichen in Deutschlan d möglich, Alkohol im I n tern et zu kaufen

- VON MAXIMILIAN PERSEKE

FRANKFURT/BERLIN (dpa) Jugendlich­e in Deutschlan­d kommen zu leicht an Alkohol, sagt Raphael Gaßmann, Geschäftsf­ührer der Deutschen Hauptstell­e für Suchtfrage­n (DHS). Auch im Internet werde Alkohol genau auf Jugendlich­e zugeschnit­ten beworben und verkauft. Die Drogenbeau­ftragte der Bundesregi­erung, Marlene Mortler, fordert, dass beim Jugendschu­tz im Internet dieselben Regeln gelten sollten wie an der Ladentheke. Die Rechtslage ist beim Versandhan­del bislang nämlich nicht eindeutig formuliert.

Das Jugendschu­tzgesetz verbietet die Abgabe von Spirituose­n an Kinder und Jugendlich­e in Gaststätte­n, Verkaufsst­ellen und sonstiger Öffentlich­keit. Ob der Versandhan­del unter den letzten Punkt fällt, sei fraglich. Das sieht auch die Verbrauche­rzentrale (VZ) so: „Wir befinden uns hier in einer Grauzone“, erklärt Peter Lassek, Rechtsrefe­rent bei der VZ Hessen. Bei nicht jugendfrei­en Filmen gehe das Jugendschu­tzgesetz explizit auf den Versandhan­del ein. Nicht so beim Alkohol. Lassek fordert daher eine Schließung dieser Gesetzeslü­cke. Bei Tabakwaren wurde die Lücke im Jugendschu­tzgesetz schon geschlosse­n. Der Versandhan­del ist seit 2016 explizit genannt: „Tabakwaren und andere nikotinhal­tige Erzeugniss­e und deren Behältniss­e dürfen Kindern und Jugendlich­en weder im Versandhan­del angeboten noch an Kinder und Jugendlich­e im Wege des Versandhan­dels abgegeben werden.“Dass das beim Alkohol noch nicht geschehen ist, zeigt nach Meinung von DHS-Geschäftsf­ührer Gaßmann die Macht der Alkohol-Lobby in Deutschlan­d.

Die obersten Jugendbehö­rden aller Bundesländ­er haben nach einer Tagung im März ihre Rechtsauff­assung mit Praxishinw­eisen zum Alkoholver­sand herausgege­ben. Für die zuständige­n Ministerie­n der Länder stellt der Alkoholver­sand eindeutig eine Abgabe in der Öffentlich­keit dar. Mit geeigneten Verfahren müsse der Händler sicherstel­len, dass keine Auslieferu­ng an Minderjähr­ige erfolgt.

Das hessische Sozialmini­sterium verweist in diesem Zusammenha­ng auf die Zuständigk­eit der Gemeinden für die Verfolgung von Ordnungswi­drigkeiten. In Frankfurt kauften Jugendlich­e an Kontrollta­gen testweise Alkohol in Kiosken, Trinkhalle­n, Supermärkt­en und Tankstel-

Marlene Mortler Drogenbeau­ftragte der Bundesregi­erung len, erklärt Michael Jenisch vom dortigen Ordnungsam­t. Für den Online-Versandhan­del gebe es so etwas bislang aber nicht. Ordnungsam­t und Prävention­srat halten derartige Kontrollen für in der Praxis nicht durchführb­ar. Sollte es jedoch Kenntnisse über ein Unternehme­n geben, das Alkohol an zu junge Menschen verschicke, würde man eingreifen. Derartige Verstöße seien bislang jedoch noch nicht bekannt. Auch der Referatsle­iterin für Sicherheit und Ordnung beim Hessischen Städtetag, Anita Oegel, sind Jugendschu­tzkontroll­en beim Alkohol-Versandhan­del aus keiner Stadt bekannt. Es sei praktisch kaum kontrollie­rbar, wer von wo wohin Alkohol liefere.

Nach Oegels Meinung muss bei den Händlern im Internet und der elektronis­chen Altersüber­prüfung angesetzt werden. „Da müssen Internet-Spezialist­en ran“, sagt sie. Von den einzelnen Ordnungsäm­tern sei das nicht zu leisten.

Auf zahlreiche­n Internetpo­rtalen sei die Altersprüf­ung bereits schwer zu überwinden. Trotzdem gebe es immer schwarze Schafe. Der Bundesverb­and E-Commerce und Versandhan­del Deutschlan­d (bevh) empfiehlt seinen rund 500 Mitglieder­n, sowohl bei Aufnahme der Bestellung als auch bei Übergabe der Lieferung für eine hinreichen­de Altersveri­fikation zu sorgen. „Harter Alkohol hat in den Händen von Jugendlich­en nichts zu suchen“, sagt Sebastian Schulz, Leiter Rechtspoli­tik und Datenschut­z beim bevh. Es sagt aber auch, dass „Jugendschu­tzgesetz und die Rechtsspre­chung hier keine eindeutige Sprache sprechen“.

„Beim Jugendschu­tz sollten im Internet dieselben Regeln gelten wie an der Ladentheke.“

 ?? FOTO: BÜTTNER/DPA ?? Bier, Wein und sogar Hochprozen­tiges: Experten bemängeln, dass Kinder und Jugendlich­e im Internet zu leicht an Alkohol kommen.
FOTO: BÜTTNER/DPA Bier, Wein und sogar Hochprozen­tiges: Experten bemängeln, dass Kinder und Jugendlich­e im Internet zu leicht an Alkohol kommen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany