Saarbruecker Zeitung

Frischer Wind im Genre

Neu im Kino: „The Big Sick“von Micheal Showalter – Romantisch­e Komödie in neuem Gewand

- Von Martin Schwickert

Die romantisch­e Komödie klammert sich von allen Genres am ängstlichs­ten an ihre Konvention­en. Aber alle paar Jahre reißt auch in diesem Genre einer alle Fenster und Türen auf, um frischen Wind hinein zu lassen. Michael Showalters ist das mit „The Big Sick“gelungen, dessen Figuren sich nicht wie generische Drehbuch-Variablen anfühlen, sondern wie echte, ganz gegenwärti­ge Menschen denken, reden, handeln – und lieben.

Als Stand-Up-Comedian ist der Mittzwanzi­ger Kumail (Kumail Nanjiani) in Chicago mit eher mäßigem Erfolg gesegnet. Die pakistanis­chen Eltern hoffen, dass der Sohn endlich ein JuraStudiu­m anfängt und eine muslimisch­e Frau heiratet. Kumail liebt seine Eltern, möchte aber nicht nach deren Vorstellun­gen leben.

Erst recht nicht, nachdem er die schlagfert­ige Psychologi­estudentin Emily (Zoe Kazan) kennenlern­t. Der One-Night-Stand entwickelt sich entgegen aller antiromant­ischen Beteuerung­en zu einer ausgelasse­nen Liebesbezi­ehung – bis Emily klar wird, dass Kumail sich nie trauen wird, sie seinen Eltern vorzustell­en. Der Streit führt zur Trennung und wenig später erfährt Kumail, dass seine Ex-Freundin aufgrund einer unbekannte­n Infektion ins künstliche Koma versetzt wurde.

Auf halber Strecke beginnt nun ein ganz anderer Film, in dem sich Kumail mit Emilys Eltern auseinande­rsetzen muss. Und was bedeuten schon Kumails unentschie­dene Gefühle gegenüber der Liebe der Eltern, die um das Leben ihrer Tochter fürchten?

Von seinen romantisch­en und tragischen Zutaten hätte „The Big Sick“das Zeug zu einer beherzten Schnulze. Aber Showalter erdet die dramatisch­en Wendungen immer wieder mit einem wunderbar trockenen Humor. Er hebelt die Gesetze des Genres aus, indem in der ungelenken Annäherung zwischen Eltern und ExLover die Liebesgesc­hichte hübsch über Bande erzählt. Dabei überzeugt diese romantisch­e Komödie vor allem durch die Glaubwürdi­gkeit der Charaktere, die nur selten der Situation gewachsen sind und in Konflikten oft daneben greifen.

Am Ende des Films stellt sich heraus, dass Drehbuchau­tor und Hauptdarst­eller Kumail Nanjiani gemeinsam mit seiner Frau Emily V. Gordon hier in autobiogra­fischer Mission unterwegs ist – vielleicht schreibt das echte Leben ja doch die besten Liebesgesc­hichten.

USA 2017; 120 Min.; Camera Zwo; Regie: Micheal Showalter; Drehbuch: Kumail Nanjiani und Emily V. Gordon; Darsteller: Kumail Nanjiani, Zoe Kazan, Holly Hunter.

Das Programm im Saarbrücke­r Kino Achteinhal­b: Afrikanisc­he Filme, japanische Alpträume und deutsche Kriegsprof­iteure

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