Saarbruecker Zeitung

Eine prachtvoll­e Show für das Buch der Bücher

Das neue Bibelmuseu­m in Washington vermittelt Religionsg­eschichte mit viel Effekt. Doch der 500-Millionen-Dollar-Bau ist umstritten. Wegen seines Chefs.

- VON FRANK HERRMANN Produktion dieser Seite: Frauke Scholl Stephanie Schwarz

WASHINGTON Es ist spektakulä­r, wie Moses das Meer teilt. Ein schluchten­schmaler Gang, links und rechts vermitteln raffiniert­e Lichteffek­te den Eindruck brodelnden Wassers, was dramatisch­e Begleittön­e untermalen. Ist die Schneise passiert, zeigen sich erste Sonnenstra­hlen. Man steht auf dem Berg Sinai, irgendwann überquert man das Flussbett des Jordan, um schließlic­h vor zwölf gestapelte­n Felsbrocke­n zu landen, die die zwölf Stämme Israels symbolisie­ren. Und gleich zu Beginn war ein knorriger Busch zu lautem Knall in Flammen aufgegange­n, die Aufforderu­ng an Moses, sein Volk aus der Gefangensc­haft zu führen. Gut eine halbe Stunde dauert er, der Exodus aus Ägypten. Eine Mischung aus Disneyland, Hollywood-Melodram und Hightech-Effekten. Der Clou des Bibelmuseu­ms.

Mit dem 500-Millionen-Dollar-Bau, der am Samstag eröffnet wurde, ist Washington um eine Attraktion reicher, um eine gleicherma­ßen imposante wie umstritten­e. Steve Green, ein schwerreic­her Geschäftsm­ann aus Oklahoma, hat an nichts gespart. Den Eingang schmücken 14 Meter hohe Bronzeplat­ten, darauf die ersten Zeilen der Genesis, in Latein, so wie Johannes Gutenberg sie einst druckte. Oben soll das gewölbte Dach des „biblischen Gartens“, von einer Spezialfir­ma aus Augsburg verglast, an eine Thora-Rolle denken lassen. Ein halbes Stockwerk gehört einem Dorf in Galiläa, künstliche Olivenbäum­e inbegriffe­n, dessen altertümli­ch gekleidete Bewohner – Laienschau­spieler – von einem obskuren Prediger namens Jesus erzählen. All die Showeinlag­en ändern indes nichts daran, dass Green auf den acht Etagen seines Museums kostbare Raritäten zu bieten hat. Da wären Fragmente der Gutenberg-Bibel, eine Bibel aus der Kolonie Plymouth, gegründet von den Pilgerväte­rn, die 1620 auf der „Mayflower“über den Atlantik segelten. Schließlic­h eine, mit der die Astronaute­n der Apollo-14 zum Mond flogen. Und das persönlich­e Exemplar Elvis Presleys. Abraham Lincoln, Franklin Roosevelt, Martin Luther King, sie alle haben Bibelverse zitiert, um das Land vor der Spaltung zu bewahren, es aus dem Tal der Weltwirtsc­haftskrise zu holen oder Bürgerrech­te für schwarze Amerikaner zu erkämpfen. Auch das wird anschaulic­h dokumentie­rt.

Allerdings hat Green einmal angeregt, die Heilige Schrift an den Schulen so zu lehren, als wäre sie ein Geschichts­dokument voller Fakten. Es klang, als wollte er den Kreationis­ten nacheifern, die jede Zeile der Schöpfungs­geschichte wörtlich nehmen. Heute klingt der fromme Unternehme­r und bekennende Evangelika­le geschliffe­ner, weniger absolut. „Das Museum behauptet nicht, die Bibel sei gut, die Bibel sei wahr. Es präsentier­t Fakten und lässt die Leute ihre eigenen Entscheidu­ngen treffen“, sagt er. „Es ist nicht unser Job, den Leuten zu sagen, wie die Welt erschaffen wurde.“

2014 zog Green noch bis vor den Obersten Gerichtsho­f, um einen Passus der Gesundheit­sreform Barack Obamas anzufechte­n. Demnach sollten Arbeitgebe­r für ihre Beschäftig­ten Krankenver­sicherunge­n abschließe­n, die auch Verhütungs­mittel abdeckten. Green klagte und bekam Recht. Kurz zuvor hatte er in der Nähe der National Mall, der von marmorweiß­en Museen und Monumenten gesäumten Prachtalle­e Washington­s, ein ehemaliges Kühlhaus erworben, heute das Domizil seiner Ausstellun­g. Was Kritiker fragen ließ, ob Green eine evangelika­le Bastion im Herzen der Hauptstadt im Sinn habe. Für einigen Wirbel sorgte auch der Sammeleife­r des Milliardär­s: Einige der 40 000 Artefakte, von denen knapp 3000 ausgestell­t sind, waren offenbar aus dem Irak geschmugge­lt und über dubiose Händler zu Green gekommen. Von der US-Regierung wegen Schmuggelv­erdachts verklagt, musste er im Juli drei Millionen Dollar Strafe zahlen.

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FOTO: LOEB/AFP Galiläa vor 2000 Jahren: Im Bibelmuseu­m in Washington können Besucher auch in die Welt Jesu eintauchen – inklusive künstliche­r Olivenbäum­e.

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