Als die Boing in den Kaufladen krachte
Mit dem ersten Satz ist es wie mit dem ersten Eindruck: Eine zweite Chance gibt es nicht.
Das rechte Hauptfahrwerk einer Boeing 747 der Anglo-World Airways schnitt Lee Chans Kaufladen mittendurch. Kein schlechter Satz, oder? Der hat Wucht. Den hätte ich gerne selbst geschrieben, tatsächlich stammt er aber von Spencer Dunmore, der seinen Roman „Kollisionskurs“so beginnen lässt. Erste Sätze sind wichtig, es ist wie beim ersten Eindruck. Man kann ihn nicht wiederholen, man bekommt keine zweite Chance. Diesen ersten Satz mit dem Flugzeug musste ich unbedingt haben, darum habe ich ihn den Buchmenschen für 50 Cent abgekauft. Oder sollte ich sagen Buchfrauen oder Buchdamen? Buchmenschen sind nämlich in der Regel weiblich und kennen sich sehr gut mit Büchern aus. Gefunden habe ich den Satz von Spencer Dunmore in einer grün eingebundenen Ausgabe von Reader’s Digest aus dem Jahr 1979. Reader’s Digest ist eine Zeitschrift mit internationaler Verbreitung, die ursprünglich dadurch bekannt wurde, dass sie Artikel anderer Zeitschriften sowie Buchauszüge und Bücher in mehreren Sprachen, teilweise in gekürzter Form, veröffentlichte.
Und da sind wir auch schon beim Namen. Digest heißt im Englischen ja verdauen. Reader´s Digest hat also Romane für den Leser vorverdaut, damit er sie besser schlucken kann.
Ob Spencer Dunmore davon gewusst hat? Im Grund müsste es jedem Autoren ja den Magen umdrehen, wenn man seine Geschichten verhackstückt und zu Appetithäppchen macht.
Die letzten Sätze sind natürlich auch wichtig, schließlich sind sie es, die einem oft in Erinnerung bleiben. Diesen einen kennen Sie bestimmt: „Morgen ist auch noch ein Tag.“Vivien Leigh haucht ihn am Ende des Films „Vom Winde verweht“als Scarlett O’Hara. Mit ihren großen traurigen Augen.
Mein schönster letzter Satz ist längst nicht so melodramatisch, gefällt mir aber besser: „Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.“