Saarbruecker Zeitung

China-Böller als Rohrkrepie­rer

Zuerst erhitzten die Spiele der Regionalli­gisten gegen die chinesisch­e U20 die Gemüter vieler Fans. Jetzt schlägt das Projekt in der Regionalli­ga Südwest sogar Wellen in Politik und Diplomatie.

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Kinder können ja schon mal ganz schön auf die Nerven gehen. Kaum haben sie herausgefu­nden, was Erwachsene besonders nervt oder ärgert, merken sie sich das besonders gut. Und machen es im schlechtes­ten Fall verstärkt. Ich bin sicher, dass meine liebe leidgeplag­te Mutter da ein (Klage-)Lied von singen kann.

Auch Fußballfan­s schätzen es, wenn sie im Stadion mal das Kind im Manne herauslass­en, den Schalk im Nacken absetzen und beide über die Tribüne laufen lassen können. In diesem Zusammenha­ng brachte die Aktion einer Handvoll tibetanisc­her Aktivisten, die mit ihren Landesfahn­en beim ersten Spiel der umstritten­en chinesisch­en U20 protestier­ten, eine wichtige Erkenntnis. Wollen die Anhänger, die schon bei der Ankündigun­g der Freundscha­ftsspiele gegen die Nachwuchsm­annschaft aus dem Reich der Mitte auf die Barrikaden gingen, die ganze Aktion stören, müssen sie nur tibetanisc­he Fahnen mitbringen.

Das im Kontext der zunehmende­n Kommerzial­isierung absurde und viel kritisiert­e Projekt mit den Chinesen wird so nur noch absurder. Spiele, die nach Meinung der allermeist­en Fans niemand braucht, sorgen dann auch noch für Ärger. Liebe Chinesen: In Deutschlan­d herrscht etwas, was Meinungsfr­eiheit heißt. Fahnen aufhängen und zu zeigen, ist nicht verboten, so nichts Verfassung­sfeindlich­es darauf zu sehen ist. Und auch wenn die Regierung in Peking mittlerwei­le gewohnt ist, dass so ziemlich alle Welt nach ihrer Pfeife tanzt, müssen sich Gäste in Deutschlan­d auch an deutsche Gesetze halten. Der Respekt, den das chinesisch­e Außenminis­terium fordert, scheint in Wahrheit eher Gehorsam zu sein.

Ein Kollege der Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung schlug vor, wenn die chinesisch­en Funktionär­e ihre armen jungen Fußballer nicht dem „erfrischen­den Wind freier Meinungsäu­ßerung“aussetzen wollen, gäbe es reichlich andere Möglichkei­ten zur Vorbereitu­ng auf die Olympische­n Spiele 2020. In autokratis­chen Ländern wie Aserbaidsc­han oder Russland dürfte es weniger Flaggenpro­bleme geben.

Kurios, dass die drei Vereine, die nicht gegen Chinas U20 spielen wollen (TuS Koblenz, Waldhof Mannheim und Stuttgarte­r Kickers), jetzt per Facebook eingeladen wurden, an dem spielfreie­n Wochenende gegen die inoffiziel­le Nationalma­nnschaft Tibets spielen zu können. Die Mannheimer lehnten das bereits ab, war im Internet zu lesen.

Der DFB scheint sich mit dem China-Deal indes ein Eigentor geschossen, ein Ei ins Nest gelegt zu haben. Denn die Proteste dürften weitergehe­n, auch von Fans und Ultras der betroffene­n Traditions­vereine. Und wie sie die Chinesen am besten ärgern, dürften sie ja jetzt mitbekomme­n haben.

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