Saarbruecker Zeitung

Es begann vor 60 Jahren mit dem Dienst an der Saar-Heimat

Die Landeszent­rale für politische Bildung feiert runden Geburtstag – und wird zum ersten Mal von einer Landtagspa­rtei infrage gestellt.

- VON DIETMAR KLOSTERMAN­N Produktion dieser Seite: Johannes Schleuning Daniel Kirch

Die „Heimatbund“-Regierung des blutjungen Bundesland­es an der Saar aus CDU, DPS und SPD wollte 1957 nichts dem Zufall überlassen. Als Leiter der „Landeszent­rale für den Heimatdien­st“wurde vom Ministerra­t in einer außerorden­tlichen Sitzung Karl Walz (CDU-Vize-Landeschef) berufen. Walz, Jahrgang 1900, hatte 1952 die verbotene Saar-CDU mitgegründ­et und war über die rheinland-pfälzische Landeslist­e Bundestags­mitglied geworden.

Denn in Saarbrücke­n regierte bis zur Volksabsti­mmung über das Saar-Statut 1955 Johannes Hoffmann (CVP), der vor den Nazis ins Exil fliehen musste und nach 1945 den so Heimattreu­en aus guten Gründen misstraute, weil viele davon Nazis gewesen waren. Doch Hoffmanns Frankreich-Strategie folgten 1955 zwei Drittel der Saarländer nicht.

Die Landeszent­rale für den Heimatdien­st wurde 1968 auf den heute gültigen Namen „Landeszent­rale für politische Bildung“umgetauft. Mit etwa 120 Gästen feierte die Landeszent­rale gestern Abend in der Saarbrücke­r Congressha­lle ihr 60-jähriges Bestehen. Bildungsmi­nister Ulrich Commerçon (SPD), zu dessen Haus die Landeszent­rale mit ihren vier Mitarbeite­rn in Dudweiler (Jahresetat: 80 500 Euro) gehört, sagte in seiner Festrede, dass es ein dauerhafte­s Ziel der Landeszent­rale sei, die Bürger in die Lage zu versetzen, eine politische Situation und die eigene Interessen­lage zu analysiere­n sowie nach Wegen zu suchen, die vorgefunde­ne Lage im Sinne der eigenen Interessen zu beeinfluss­en.

Und das tue sie spätestens seit den 1980er Jahren in vielfältig­er Weise. Unter der Ägide von Burkhard Jellonnek (SPD) ist etwa das Bundes-Programm der „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“im Saarland vorangetri­eben worden. „Diesem Netzwerk, das neben dem klassische­n Rassismus alle Ideologien der Ungleichwe­rtigkeit von Menschen in den Blick nimmt und sich gegen jegliche Form von Diskrimini­erung, Mobbing und Gewalt einsetzt, gehören mittlerwei­le 46 saarländis­che Schulen an“, betonte Commerçon.

Jellonnek gelang es, den Musical-Macher Frank Nimsgern zu dem Schüler-Musikproje­kt „Farbenblin­d“ zu gewinnen. Es entstand eine CD mit Songs gegen Rassismus, die auch überregion­al Beachtung fand. Zudem setzte Jellonnek in der Initiative Neue Bremm Akzente und half mit, das ehemalige Gestapo-Lager Neue Bremm, in dem tausende NS-Opfer gequält worden waren, in eine würdige Gedenkstät­te zu verwandeln.

Aktuell wird die Landeszent­rale von Erik Harms-Immand, dem früheren Pressespre­cher des grünen Schulminis­ters Klaus Kessler aus der Jamaika-Regierung, geleitet. Harms-Immand hat sich zum Ziel gesetzt, die verschiede­nen Akteure in der politische­n Bildung im Saarland zu vernetzen. So gründete er den Runden Tisch zur Aufarbeitu­ng der NS-Vergangenh­eit im Saarland mit.

Als Ansporn für die Arbeit der Landeszent­rale werten Beobachter die von der rechtspopu­listischen AfD erhobene Forderung, die Landeszent­rale abzuschaff­en, da sie ein „Hort einseitige­r linkslasti­ger Agitation“sei.

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