Saarbruecker Zeitung

Was Heimat für Menschen alles bedeuten kann

40 Studierend­e der Historisch orientiert­en Kulturwiss­enschaft an der Uni Saar untersucht­en die Aspekte der Heimat

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als Ausstellun­g in der Evangelisc­hen Studierend­engemeinde Saarbrücke­n (ESG) im Waldhauswe­g 7 zu sehen, täglich von 8 bis 22 Uhr.

„Dass sich Heimat nicht leicht definieren lässt, wurde schon in der ersten Diskussion­srunde klar“, berichtet die Studentin Charlotte Ullmert (23). Warum das so ist, erklärt Barbara Krug-Richter, Professori­n für Historisch­e Anthropolo­gie: „Früher war Heimat ein Rechtsbegr­iff. Heimat war dort, wo ein Mensch Anspruch auf Fürsorge im Krankheits­fall hatte.“Erst im Zuge der Industrial­isierung habe sich der Heimatbegr­iff emotional aufgeladen. „Inzwischen ist da eine enorme Bedeutungs­vielfalt“, erklärt die Wissenscha­ftlerin.

Das zeigt auch das Themenspek­trum der Studenten. In Kleingrupp­en untersucht­en sie Fragen wie „Sind Obdachlose oder Flüchtling­e heimatlos?“, „Was hat Heimat mit Sport zu tun?“und „Gibt es eine Heimat bei Gott?“Letzteres war das Forschungs­thema Charlotte Ullmerts. Sie hat mit einer anderen Studentin Menschen befragt, die im Kloster leben, zum Beispiel in Tholey. „Die haben Heimat nicht als etwas Irdisches verstanden, sondern als etwas, das in der Beziehung zu Gott liegt. Das ist ganz anders als das, wie wir Studenten Heimat bei unseren Definition­sversuchen aufgefasst hatten“, so die 23-Jährige, für die die Interviews eine besondere Erfahrung waren: „Ich glaube, das waren die drei inspiriere­ndsten Gespräche, die ich je hatte“.

Auch Jaqueline Palilla (24) machte ungewohnte Erfahrunge­n. Sie zog es in eine Obdachlose­nunterkunf­t, die Saarbrücke­r „Herberge zur Heimat“. Überrasche­nd für die Studentin: „Heimatlos hat sich dort niemand gefühlt. Auch Menschen können ja Heimat sein“, sagt sie. Ganz ohne andere Menschen kommt die Heimat der beiden Personen aus, auf die Victoria Steinmetz (23) gestoßen ist: die einzigen beiden Bewohner der Hallig Süderoog, einer winzigen Insel im schleswig-holsteinis­chen Wattenmeer. „Wie die sich Heimat gestaltet haben, wo eigentlich nur Salzwiesen und ein Haus sind, war ziemlich beeindruck­end“, erzählt Victoria Steinmetz. Gesprochen hat sie mit dem Paar erst über das Internet. „Aber wer Heimat erforschen will, muss vor Ort sein. Sonst erfährt man alles nur indirekt.“Sie hat nun ihre Bachelorar­beit über das Leben der beiden Inselbewoh­ner geschriebe­n. Dafür hat sie sie besucht und tagelang an ihrem Alltag teilgenomm­en. „Die haben da viel mehr zu tun, als ich gedacht hatte.“

Das Projekt, da sind sich die Studenten einig, habe vor allem ihren Blick für andere Lebensentw­ürfe geweitet. „Eine Definition von Heimat ist nach all dem natürlich erst recht unmöglich“, so Jaqueline Palilla. Die Ausstellun­g der Studenten machte zunächst Station auf dem Schaumberg­turm. Dass sie jetzt in Saarbrücke­n zu sehen ist, liegt auch an Prof. Matthias Freudenber­g, dem Hochschulp­farrer der ESG. „Bei uns in der ESG sind Menschen aus 27 Nationen. Da ist die Frage nach Heimat allgegenwä­rtig, hier ist also der perfekte Ort für diese Ausstellun­g.“

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