Saarbruecker Zeitung

Edouard Manet oder der Triumph der Malerei

Das Von der Heydt Museum in Wuppertal will den ganzen Edouard Manet zeigen – der Anspruch wird zwar nicht eingelöst, reizvoll ist die Schau gleichwohl.

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seinem Schüler folglich keine große Zukunft voraus.

Das Verhältnis zu seinem Lehrer kann als exemplaris­ch gelten für Edouard Manet (1832-1883). Ein Leben lang ringt er um Anerkennun­g im Salon, den er als den „wahren Kampfplatz“bezeichnet, stellt nie mit den Impression­isten aus, obwohl die ihm eigentlich viel näher waren. Der Dichter Charles Baudelaire hielt ihn deswegen für „unentschlo­ssen“und „charakters­chwach“und noch der Kunsthisto­riker John Rewald beschreibt ihn in seiner legendären „Geschichte des Impression­ismus“(1946) als Maler, der sich nie ganz von seinem bürgerlich­en Ursprung lösen konnte. In den letzten Jahren hat sich die Sicht verändert. Die große Ausstellun­g im Von der Heydt Museum in Wuppertal zeichnet Manet als Mann, der sich bewusst einer Zuordnung entzogen habe, um für unterschie­dliche Zielgruppe­n attraktiv zu sein. Manets Künstlerna­turell war so beschaffen, dass für ihn die Beschränku­ng auf nur einen Malstil einen Verzicht bedeutet hätte.

Sich beschränke­n wollte auch Museumsche­f Gerhard Finck nicht, will er in Wuppertal doch „den ganzen Manet“zeigen und sich nicht wie die Hamburger Kunsthalle 2016, die ihn als letzten Alten Meister feierte und seine Figurenbil­der in den Fokus rückte, auf nur ein Thema beschränke­n. Eben darin liegt die Qualität, aber auch die Gefahr der Ausstellun­g, die 45 Gemälde Manets und fast noch einmal so viele seiner Grafiken zeigt und dazu 100 Werke von Zeitgenoss­en. Nicht chronologi­sch geht die Schau vor, sondern sie wirft in elf Kapiteln Schlaglich­ter auf Skandale, Vorbilder, Freunde, Spanienmod­e oder Stillleben. Alles gipfelt in einem Saal, der an ein Zitat Paul Valérys angelehnt mit „Manets Triumph“überschrie­ben ist und Werke seines Umfeldes zeigt – konkret Arbeiten von Monet, Bazille, Degas, Corot und Courbet aus dem Bestand des Von der Heydt. Mitunter wirkt das etwas zerfahren. Neue Erkenntnis­se liefert die Ausstellun­g nicht. Das muss sie aber auch nicht. Am besten, man betrachtet Manets Bilder so, wie es sich nach Emile Zola „für ein wahres Kunstwerk gehört: als ein Wunder an Farbe“.

Als Sohn eines hohen Beamten in Paris geboren, will Manet zunächst zur See fahren. Als Kadett auf einem Schulschif­f zeichnet er auf der Überfahrt nach Rio lieber an Deck, statt mit anzupacken. Der Kapitän entdeckt das und lässt ihn zur Strafe im Frachtraum Käse mit Mennige anstreiche­n. Zweimal scheitert seine Bewerbung bei der Marineschu­le. Bis der Vater dann ins Kunststudi­um einwilligt. Weil es ihm bei Couture nicht gefällt, besucht Manet abends Kurse in der Académie Suisse, wo er die etwas jüngeren Impression­isten kennenlern­t. Obwohl er ihre Ansichten teilt, lässt er sich nicht vereinnahm­en und bleibt ein Einzelgäng­er. Immer wieder schickt er Bilder in den Salon, an dem er 14 Mal teilnimmt: 26 werden dort angenommen, elf abgelehnt. Für einen Skandal sorgte seine „Olympia“(1865) – eine auf einem Bett ausgestrec­kte Nackte. Zwei Wächter mussten vor ihr postiert werden, damit erboste Besucher sie nicht mit ihren Regenschir­men attackiert­en. Die „Olympia“und Manets „Frühstück im Grünen“(1963) hängen in Wuppertal als originalge­treue Reprodukti­onen an den Wänden. Nur selten verleiht das Musée d’ Orsay in Paris die beiden Hauptwerke noch. Was zunächst irritieren mag, zumal der Besucher gleich im zweiten Raum auf die Kopien stößt, macht durchaus Sinn. Lässt sich doch erst durch die Größe dieser Werke ihr Skandalwer­t heute noch nachvollzi­ehen. Akte von Degas, Renoir, Diaz De La Peña zeugen in Wuppertal davon, dass „nackte Tatsachen“im 19. Jahrhunder­t durchaus nicht unüblich waren. In der Größe, wie Manet sie malte, aber und ohne allegorisc­he „Einkleidun­g“waren sie eine Provokatio­n. Schließlic­h hing man die „Olympia“im Salon in luftiger Höhe über eine Tür, um sie vor Angriffen zu schützen. Eine Fassung von „Die Erschießun­g des Kaisers Maximilian von Mexiko“(1868) war leider auch nicht zu haben, ist aber immerhin als Lithografi­e im Von der Heydt vertreten und zeigt Manet als Patrioten und überzeugte­n Republikan­er.

Wo Hauptwerke wie die „Nana“(1877) oder „Die Musik in den Tuilerien“(1862) fehlen, ist Platz für unbekannte­re Werke. So gibt es wunderschö­ne Seestücke wie „Am Strand von Berck-sur-Mer“(1873) zu entdecken, die sagenhaft dynamische „Rennbahn von Longchamp“(1867) oder die lichtdurch­fluteten Gartenbild­er des „Hauses in Rueil“(1882). Sie entstanden, als der an Syphilis erkrankte Manet ein Jahr vor seinem Tod zur Kur in Versailles weilte. Selten malte er so luftig und leicht wie auf diesen letzten Bildern. Sie brachten ihm den Titel „Vater des Impression­ismus“ein, den er selbst so gar nicht gerne gehört hätte.

25. Februar. Di, Mi: 11-18 Uhr, Do, Fr 1120 Uhr, Sa, So: 10-18 Uhr.

 ?? FOTO: MUSEE DES BEAUX-ARTS, TOURNAI/VON DER HEYDT MUSEUM WUPPERTAL ?? Manets 1879, vier Jahre vor seinem Tod, entstanden­es, viel Impression­ismus ausstrahle­ndes Gemälde „Le jardin de père Lathuille“(Öl auf Leinwand, 92x112 cm).
FOTO: MUSEE DES BEAUX-ARTS, TOURNAI/VON DER HEYDT MUSEUM WUPPERTAL Manets 1879, vier Jahre vor seinem Tod, entstanden­es, viel Impression­ismus ausstrahle­ndes Gemälde „Le jardin de père Lathuille“(Öl auf Leinwand, 92x112 cm).

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