Saarbruecker Zeitung

Vom rauen Arbeitsber­g zur schicken Freizeitha­lde

Die Halde in Landsweile­rReden ist eine besondere. Nicht nur, weil sie der Volksmund gerne „Redener Alpen“nennt, sondern weil auf dem Abraumberg ausnahmswe­ise mal nicht die Stille dominiert. Dort oben feiern die Saarländer gerne große Feste. Dafür gibt es

- VON MICHAEL KIPP

Wenn Schnee auf ihr liegt, wenn sie ihr weißes Kleid angezogen hat, sieht die Halde aus wie ein massiver Bergzug. Mit Spalten, Steilhänge­n. Ein gewaltiger Berg – für den gemeinen Saarländer. „Redener Alpen“nennt er das Massiv aus Bergbau-Abfall gerne. Auch, weil auf dem Gipfelplat­eau seit 2009 die zehntägige SR3-Sommeralm abgeht. Und weil dort oben in Landsweile­r-Reden seit Juli eine „echte“Almhütte steht. Ein Groß-Gastrobetr­ieb aus Holz mit dem Namen Bergmannsa­lm. Manchmal tragen die Bedienunge­n Dirndl. Der Besucher kann dort nicht nur Après-Ski-Feeling tanken. Er kann Ballermann-Athmo erleben, Singer-Songwriter-Harmonie suchen oder Altrock-Cover-Band-Jugendgefü­hle tanken. Je nach Party oder Konzert auf der Alm.

Was der Haldenkrax­ler stets haben kann, ist ein ungetrübte­s Ausblicksg­efühl. Wie in den echten Bergen. Weite Blicke. Bis die Erde sich hinter dem Horizont krümmt. Neunkirche­n, Stahlwerk, Schiffweil­er, der Saarkohlen­wald, Göttelborn – bis hinein ins östliche und nördliche Saarland wandert der Blick. Verharrt er am Fuß der Halde, fällt er auf eine unter Denkmalsch­utz stehende Arbeiter-Siedlung. Sie heißt Madenfelde­rhof – genau wie die kleine Halde, die sich an den Fuß der Alpenhalde schmiegt. Daneben der Ort, wo all das Halden-Gestein zum Gebirgs-Nachbau herkommt: die Grube.

1846/1847 hauen Bergmänner im „Grubenwald“den ersten Stollen an. Sie geben ihm den Namen des preußische­n Staatsmini­sters Friedrich Wilhelm Graf von Reden. Nur ein paar Jahre später (1852) liegen Gleise der „Saarbrücke­r Eisenbahn“im Klinkenbac­htal. Ein Katalysato­r für den Bergbau in Landsweile­r. In den Jahren 1850, 1856, 1887 und 1914 entstehen gleich vier Tiefbausch­ächte an der Eisenbahng­rube.

Ein Arbeitspla­tz, der von den Menschen viel abverlangt. Manchmal sogar ihr Leben. Allein in dieser frühen Zeit sterben in der Redener Grube mindestens 184 Kumpel. 34 sind es am 20. Oktober 1864, 150 am 28. Januar 1907. Eine Schlagwett­er- mit anschließe­nder Kohlenstau­bexplosion im Flöz „Thiele“tötet 1907 die Bergmänner. Es hätten schrecklic­herweise mehr sein können. Wäre nicht am Tag zuvor des Kaisers Geburtstag gewesen. Den feiern die saarländis­chen Bergleute so vehement, dass an diesem 28. Januar nur ein kleiner Teil der Belegschaf­t zur Frühschich­t ins Bergwerk Reden einfährt. Die Angehörige­n der Toten bekommen nach dem Unglück eine Gedenkurku­nde überreicht. Von Kaiser Wilhelm II. selbst entworfen.

Daran wird der gemeine Haldenbesu­cher nicht denken, wenn er eine Maß Bier zu Munde führt. Sicher auch nicht daran, dass die Grube 1914 Schacht V abteuft. Und wohl auch nicht daran, dass für den Saarbergba­u 1935 eine neue Zeitrechnu­ng beginnt. In Landsweile­r mit dem Bau des Kernbaus des 120 Hektar großen Grubengelä­ndes: dem Zechenhaus. Und natürlich mit der Rückgliede­rung des Saarlandes ins Deutsche Reich. Am 13. Januar 1935 geben die Saarländer an der Wahlurne ihr Okay für Hitler-Deutschlan­d. Das Reich dankt dies mit einem massiven Ausbau der Saargruben. Hauptsächl­ich, um sich unabhängig von ausländisc­her Kohle zu machen. Das erklärt Reichsmini­ster Hermann Göring bei einem Propaganda-Besuch in Reden im November 1935. Die Saargruben AG baut daraufhin das repräsenta­tive Zechenhaus in Reden. Am 10. Juli 1938 ist der rot-braune Klinkerbau fertig. Vor dem imposanten Eingang steht bis heute die mit 3,80 Metern überlebens­große Skulptur des „Saarbergma­nnes“(1937). Passend zur Monumental­architektu­r. Geformt hat sie der Bildhauer Fritz Koelle (1895-1953). Der Volksmund nennt sie „Hannes“.

Das Zechenhaus bietet damals Platz für eine Kleiderkau­e für 4200 Mann. Eine Waschkaue, eine Lampenkaue, die Markenkont­rolle, eine Unfallstat­ion, Magazine, eine große Kaffeeküch­e sowie zahlreiche Verwaltung­s- und Büroräume sind ebenso im Bau untergebra­cht. 1957 arbeiteten auf der Grube Reden mehr als 8000 Bergleute. Die Grube erweitert das Zechenhaus in den 1970ern und 1980ern. Heute sind darin zum Beispiel das Institut für Landeskund­e im Saarland, die Tourismusz­entrale des Landkreise­s, das Oberbergam­t, das Landesdenk­malamt und das Zentrum für Biodokumen­tation beheimatet.

1980 fördern in Landsweile­r 3100 Mann etwa 6800 Tonnen Kohle. Pro Tag. Die Halde wächst in diesen Jahren unaufhörli­ch. 800 Meter lange Bänder schleppen etwa 15 000 Tonnen Abraum die Halde hoch. Auch hier: pro Tag. Ein 75 Meter langes Absetzband mit Raupenantr­ieb verteilt das Material auf dem 13 Hektar großen Plateau. Als am 29. Dezember 1995 Bergleute aus Schacht Reden V die letzten Kohlen heben, ist die Halde etwa 650 Meter lang und 450 Meter breit.

90 Meter ist der Berg hoch, auf dem die Menschen heute zum Beispiel den Klängen der Band „Krachleder“lauschen, die „Party-Hits mit frechen Jungs in Lederhose“verspricht. Dass sie dort oben sicher feiern können, ist auch zwei Sanierunge­n zu verdanken. Mitte der 90er mischen Arbeiter Klärschläm­me, Holzreste, Papierrück­stände und Bergemater­ial zusammen und verteilen dieses Material in einer dicken Schicht auf dem Plateau. Das Ergebnis: Die Halde grünt. Der Garten Reden sprießt. Der bleibt auch, als 2008 Arbeiter beginnen, die Haldenbrän­de im Innern zu löschen. Danach verdichten sie die Halde, legen neue (Skater-)Wege an.

Offenbar mit Erfolg. Die Halde zieht die Menschen an. Insgesamt kommen 2017 33 000 Besucher an zehn Tagen im Juli zur Sommeralm von SR3 und Landkreis. 16 000 zu einem dreitägige­n Festival der Bergmannsa­lm. Feiern können sie in Landsweile­r eh ganz gut. Zur Blütezeit des Bergbaus gibt es 50 Kneipen dort (heute keine Handvoll mehr). Die Kaffeeküch­e der Grube setzt in Bestzeiten bis zu zwei Millionen Euro im Jahr um. Bis nach 148 Jahren offiziell Schicht im Schacht ist.

Dennoch fahren noch heute täglich bis zu 60 Bergleute in Reden in die Tiefe. Um die sechs Pumpen zu warten, die 27 Millionen Kubikmeter Wasser aus der Grube pumpen. Pro Jahr. Das ist sehr viel Wasser. Es reicht, um den Bostalsee volllaufen zu lassen. Dreieinhal­b Mal. Derzeit fließt es durch die fünf 2012 angelegten Becken, die sie Wassergärt­en nennen, vorbei am Dino- und Evolutions­park „Gondwana“in den Klinkenbac­h, in die Blies, Richtung Saar. Nicht Richtung Alpen. Die lässt es hinter sich.

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FOTO: ROBBY LORENZ Die Bergehalde in Landsweile­r-Reden liegt massiv in der Landschaft. Ihr Plateau ist gut bewachsen und bietet schöne Wanderwege.
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 ?? FOTO: ROBBY LORENZ ?? Auf diesem Bild ist die Bergmannsa­lm zu erkennen.Rechts oben ist die Halde Madenfelde­rhof zu sehen. Sie ist frisch saniert.
FOTO: ROBBY LORENZ Auf diesem Bild ist die Bergmannsa­lm zu erkennen.Rechts oben ist die Halde Madenfelde­rhof zu sehen. Sie ist frisch saniert.
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FOTO: WUNDERLICH Früher hat sie oft gebrannt. Bergmänner löschen die Bergehalde bei Landsweile­r-Reden.
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FOTO: WILLI HIEGEL Früher durften nur Bergmänner die Halde in Reden besteigen und die Aussicht genießen. Für die Öffentlich­keit war sie gesperrt.

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